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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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die Lippen auf ihren Unterarm gedrückt und sich vorgestellt, es wären seine Lippen. Ganz heiß war ihr dabei geworden. Die Sternenfee hatte ihr dabei zugeflüstert: Bald, bald ist es so weit.
    Doch diese Hannah hatte sich nicht mit Träumen zufrieden gegeben – und war schwanger geworden. Von Helmut.
    »Helmut ist zu nichts gezwungen worden«, hatte Valentin heute Mittag erzählt. »Er und Hannah – beide hatten ihren Spaß! Er hätte doch genauso gut auch Nein sagen können, oder?«
    Hätte, hätte, hätte – was wusste Valentin schon! Wahrscheinlich war er nur eifersüchtig, dass Helmut bei den Frauen so begehrt war. Nein, nein, das Weib hatte es darauf angelegt, Helmut zu ködern, so viel stand fest. Und es war ihr gelungen, weil sie, Seraphine, sich in vornehmer Zurückhaltung geübt hatte.
    Und da kam Valentin daher und wollte sie heiraten! Ha, dann erginge es ihr ja nicht anders als Helmut! Sie schnaubte so heftig, dass sich ihr Kopfkissen aufplusterte.
    Aber … wäre das nicht ausgleichende Gerechtigkeit?
    Ruckartig setzte sich Seraphine auf und starrte nach draußen.
    Warum sollte es ihr besser gehen als Helmut? Er musste für seinen Fehler geradestehen, und sie musste für den Fehler ihres Vaters einstehen, dessen Tod sie in große Not gestürzt hatte. Das Armenhaus drohte, hatte Mutter gesagt. War dies nicht ein mindestens ebenso guter Grund zu heiraten? War ihre Not nicht mindestens so groß wie die von Helmut?
    Sie und Valentin – die Worte schmeckten bitter wie zu starker Tee.
    Andererseits war er Helmuts Bruder. In manchen Dingen waren sich die beiden gar nicht so unähnlich. Gestern Nacht, in seinen Armen, hatte sie sich zeitweise sogar vorstellen können, er wäre Helmut. Wenn sie Valentin heiratete, würde das bedeuten, dass sie in Helmuts Nähe war. Hätte die schreckliche Hannah im Blick. Würde dafür sorgen können, dass sie ihm das Leben nicht noch schwerer machte. Helmut würde mit seinen Sorgen zu ihr kommen können, nie mehr wollte sie ihn so im Stich lassen, wie sie es in der Vergangenheit getan hatte.
    Ein ganz neuer Gedanke schoss Seraphine durch den Kopf: Wilhelmine Kerner wäre dann trotzdem ihre Schwiegermutter, so, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Wilhelmine, die ihr übers Haar strich und »Bist ein feines Mädle« sagte. Die sie bestimmt lieber mochte als eine Dahergelaufene.
    Valentin und sie … Ein Lächeln glitt über Seraphines Gesicht. Ein Geschenk des Himmels?
    Ja.
    Für Helmut und sie.
    Und sie war fast zu dumm gewesen, dieses Geschenk anzunehmen.
    Danke, Sternenfee.
    Eine Woche später gaben Seraphine Schwarz und Valentin Kerner ihre Verlobung bekannt.
    Die Hochzeit wurde auf den zweiten Sonntag nach dem Osterfest festgelegt. Am ersten Sonntag nach Ostern sollte nämlich die Wahl des neuen Gemeinderates stattfinden.
    Von einer Russlandreise der beiden Brüder war keine Rede mehr – niemand hatte die Zeit, sich solch aufwändigen Planungen zu widmen.

16
    Gönningen, 18. Januar 1850
    Liebe Mutter, lieber Vater,
    verzeiht mir, dass ich erst heute dazu komme, euch einen ausführlichen Brief zu schreiben, aber bisher hatte ich kaum eine freie Minute für mich! Natürlich will ich zuerst von der Hochzeit berichten. Es war solch ein schönes Fest – mir blutet noch immer das Herz, weil ihr nicht dabei sein konntet. Alle haben nach euch gefragt und lassen euch herzliche Grüße ausrichten. Ach Mutter, wenn du die schönen Geschenke sehen könntest, die Helmut und ich bekamen! Sogar ein Samowar ist darunter – aus Russland, stell dir vor! Ich wusste zuerst gar nicht, wozu das Gerät gut sein soll, bis Helmut mir erklärte, dass man damit ständig frischen Tee aufbrühen kann. Schönes Geschirr haben wir auch bekommen, obwohl ich mich frage, was ich damit anfangen soll. Wir kochen und essen alle gemeinsam, da kann ich doch nicht für Helmut und mich besonderes Porzellan auftischen!
    Am Ende ihres Federkiels kauend, hielt Hannah inne. Von dem Nähzeug, das sie geschenkt bekommen hatte, und dem Lederetui mit allerfeinsten Rosshaarpinseln würde sie ihrer Mutter nichts schreiben. Sie, die noch nicht einmal einen Knopf annähen konnte, und Nähzeug! Was solche Feinarbeiten anging, hatte sie einfach zwei linke Hände. Im Gegensatz zu Seraphine, über deren Nähkünste und Zeichentalent sich Mutter Wilhelmine lang und breit ausgelassen hatte. Diese speziellen Geschenke waren von den Hochzeitsgästen bestimmt für »die andere Braut« ausgesucht worden und nun

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