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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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eifersüchtiges Auge sie bei jeder Regung verfolgte. Aber sie war schlauer als er. Sie verbarg ihre Liebe, beschützte sie wie ein kleines Küken. Und sie war für ihre Vorsicht belohnt worden. Hatte Helmut nicht sie ins Vertrauen gezogen? Während diese Hannah immer noch nichts von der Russlandreise ahnte?
    Seraphine wandte sich zum Gehen, Helmuts Hemd fest an ihre Brust gepresst, als ihr Blick auf einen Stapel Unterlagen fiel, der auf dem Nachttisch neben Helmuts Bett lag. Warendas nicht die Frachtpapiere für die Lieferungen, die für Odessa bestimmt waren? Seraphine runzelte die Stirn. Warum ließ Helmut sie so offen liegen? Hatte er nicht Angst, dass Hannah sie finden würde? Beim näheren Hinsehen erkannte sie, dass die Formulare noch nicht ausgefüllt waren, Odessa als Zielort der Waren also nicht genannt wurde. Erleichterung durchflutete sie – Hannah wusste also in der Tat noch nichts.
    Aber hatte Helmut nicht gesagt, dass er heute mit den Papieren nach Tübingen aufs Zollamt fahren wollte? Hatte er nicht von einem »Freihafen« und von besonderen Einfuhrbestimmungen, die es herauszufinden galt, gesprochen?
    Seraphine hatte die Papiere schon in der Hand, wollte zu ihm in die Küche laufen, sie ihm geben, bevor er das Haus verließ.
    Stattdessen ging sie in die Hocke, dann auf die Knie, langsam, als wäre jede ihrer Bewegungen von größter Wichtigkeit.
    Unter dem Bett lagen plustrige Staubwolken – die Haustiere fauler Mädchen.
    Seraphine schnaubte, hob vorsichtig einen Staubbüschel mit der hohlen Hand an, schubste den Packen Unterlagen darunter.
    Dann putzte sie sich die Hände an Hannahs Kleid ab, das über der Lehne des zweiten Stuhles hing, und verließ rasch den Raum, um Helmuts Hemd in ihrem Schlafzimmer in Sicherheit zu bringen.
    Mit einem Lächeln setzte sie sich Minuten später zu den anderen an den Tisch.
    »Verflixt nochmal, wo sind die Papiere?« Sich die Haare raufend, lief Helmut durchs Schlafzimmer, wühlte die Sachen auf dem Stuhl durch, schaute im Kleiderschrank nach, blieb mitten im Raum stehen.
    »Ich hätte schwören können, dass ich sie hier auf dem Nachttisch abgelegt habe, aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher. Im Büro sind sie auch nicht … Verdammt!«
    »Was ist denn so wichtig an diesen Papieren?«, fragte Hannah, die mit Flora auf dem Arm im Türrahmen stand. »Am helllichten Morgen so einen Aufstand zu machen …« Sie trat zu ihm und wollte ihm einen Kuss auf die Wange drücken, doch er schüttelte sie unwirsch ab.
    »Das verstehst du nicht. Ich brauche sie eben!«
    »Wenn ich das nicht verstehe, liegt es vielleicht daran, dass du mir nichts erklärst«, erwiderte sie schärfer, als sie beabsichtigt hatte. Seit Tagen gebärdete sich Helmut wie ein brummiger Bär, war ungeduldig mit ihr, hatte kaum Augen für Flora. Sie hätte sich gern eingeredet, dass sein Verhalten damit zu tun hatte, dass ihm der bevorstehende Abschied so schwer fiel wie ihr. Doch in Wahrheit hatte sie eher das Gefühl, er sei mit den Gedanken schon auf irgendeiner Straße unterwegs. Hannah schluckte. Kämpfte gegen den Kloß in ihrem Hals an, der aufsteigende Tränen andeutete. Alte Heulsuse!, schimpfte sie sich stumm.
    »Kommst du endlich?« Valentin steckte den Kopf durch die Tür. »Wenn wir jetzt nicht aufbrechen, kommen wir genau dann in Tübingen an, wenn Herr Krohmer sein ausgedehntes Mittagsmahl beginnt.«
    »Die Papiere sind weg!« In einer hilflosen Geste warf Helmut beide Arme in die Luft.
    Valentin runzelte die Stirn. »Was soll das heißen, die Papiere –«
    »Dass sie weg sind! Ich kann sie nicht mehr finden!«, schrie Helmut.
    »Wenn wir alle suchen, finden wir sie vielleicht.« Hannah bemühte sich um einen beschwichtigenden Ton. Sie legte Flora aufs Bett und schaute sich um. Wo sie suchen sollte, war ihr allerdings rätselhaft.
    »Mensch, Helmut!« Valentin verdrehte die Augen. »Wenn wir das heute nicht erledigen, ist’s zu spät! Heute ist Krohmersletzter Tag im Amt, bis sich sein Nachfolger eingearbeitet hat, sind wir längst in Russland und haben womöglich nicht die richtigen Einfuhrpapiere dabei!«
    »Valentin!«, zischte Helmut seinem Bruder zu.
    Einen Moment lang verharrten alle drei wie die Figuren eines Scherenschnittes. Hannah war die Erste, die aus der Erstarrung erwachte.
    »Russland?« Sie schüttelte den Kopf. » Russland ?«
    Helmut stöhnte auf. Wütend funkelte er Valentin an. »Vielen Dank, lieber Bruder! Jetzt muss sie es auf diese Art

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