Die Samenhändlerin (German Edition)
erfahren!«
Valentin kratzte sich zerknirscht am Kinn und huschte dann ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer.
Fassungslos schaute Hannah ihren Mann an. Was ging hier vor?
»Ich wollte es dir ja schon längst sagen, aber …«
» Was wolltest du mir sagen?«
»Hannah …« Helmuts Hand strich über ihr Haar. Sie kam Hannah wie ein Fremdkörper vor. »Jetzt weine nicht, ich komme doch wieder. Es sind doch nur ein paar Monate. An Floras Geburtstag bin ich spätestens wieder zurück.«
Die Hände vors Gesicht geschlagen, schüttelte Hannah seine Hand ab. Stumme Weinkrämpfe ließen ihren Leib beben, nur Floras wegen biss sie sich auf die Lippen, um nicht laut aufzuheulen.
Russland …
Helmut würde eine halbe Ewigkeit fort sein.
Was, wenn ihm etwas zustieß?
Das würde sie nicht überleben.
Plötzlich kam ihr ein Gedanke. Sie fixierte Helmut kritisch.
»Wann hattest du eigentlich vor, mich in deine Pläne einzuweihen? Ich meine, ihr reist doch kommenden Montag ab.« Sie erschrak über den eisigen Ton in ihrer Stimme.
Er seufzte. »Ich wollte es dir wirklich schon lange sagen, aber nie war der richtige Zeitpunkt. Und dann … Also, ich kenne dich doch …« Er wandte den Blick als Erster ab.
»Und die anderen wissen längst Bescheid?« Hannah konnte nichts dagegen tun, dass sich ihre Stimme am Ende des Satzes überschlug.
»Ja – nein! Das heißt …« Helmut verzog den Mund. »Vater weiß natürlich Bescheid, ohne sein Einverständnis könnten wir die Reise ja gar nicht finanzieren. Und Mutter …« Er zuckte mit den Schultern. »Sie sorgt sich halt auch immer so sehr, da wollten wir sie nicht unnötig früh beunruhigen.«
Hannah machte eine wegwerfende Handbewegung. »Und Seraphine?«
»Seraphine … Nun, die …« Wie ein Schulbub, der um eine Antwort verlegen ist, trat Helmut von einem Bein aufs andere. »Sie ist ja eine von uns, also …«
Eine von uns! Und was war sie ? Hannah schnaubte. »Dann bin ich also die einzige Dumme in diesem Haus, von deiner Mutter einmal abgesehen.« Bevor sie etwas dagegen tun konnte, wurde sie von einem neuen Weinkrampf geschüttelt. Sie versteckte ihr Gesicht abermals hinter ihren Händen.
Warum vertraute er ihr so wenig? Warum zog es ihn hinaus in die weite Welt, wo er doch jetzt Frau und Kind hatte? War sie solch eine schlechte Ehefrau? Dabei gab sie sich so große Mühe …
Helmuts Versuche, Hannah zu beruhigen, waren vergeblich.
»Siehst du!«, fuhr er auf. »Deshalb habe ich nichts gesagt! Ich wusste, du würdest dich unmöglich anstellen! Seraphine dagegen, die hat ganz anders reagiert. Gelassen, gefasst, obwohl sie Valentin bestimmt auch nicht gern ziehen lässt. Aber sie versteht, dass ein Mann tun muss, was nötig ist.«
Ächzend ging Helmut in die Hocke.
Zwischen ihren gespreizten Fingern hindurch beobachteteHannah ihn. Nein, ich werde ihm nicht verzeihen, selbst wenn er auf Knien darum bittet, dachte sie bitter.
Doch Helmut war anderweitig beschäftigt. Mit einer Hand stützte er sich am Bettrahmen ab, mit der anderen fuhrwerkte er unter dem Bett herum.
»Ja, gibt’s denn das …« Er zog den staubigen Packen Papier hervor. Kopfschüttelnd wischte er ihn sauber.
»Also, die sind doch nie und nimmer von allein unters Bett gerutscht!« Sein Blick wanderte hinüber zu Hannah. Sie wiegte Flora, die inzwischen ebenfalls zu weinen begonnen hatte, auf ihrem Arm hin und her, während sie selbst lautstark den Rotz hochzog.
Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete Helmut Mutter und Kind. Dann lachte er trocken auf.
»Warum guckst du so komisch?«, fuhr Hannah ihn an. »Bin ich jetzt auch noch schuld an deinem Saustall?« Sollte er doch dahin reisen, wo der Pfeffer wuchs! Sie war so wütend, so traurig!
Abrupt wandte sich Helmut ab. Im Türrahmen drehte er sich noch ein Mal zu ihr um.
»Wenn es nicht so unglaublich wäre, würde ich sagen, das hier« – er wedelte mit den Papieren – »ist dein Werk. Weil du nicht willst, dass ich abreise. Weil du am liebsten auf mir hocken würdest wie eine Glucke auf ihren Jungen. Aber eines sage ich dir: Du kannst mich nicht festbinden! Nicht mit deinem Geheule und nicht mit solchen lächerlichen Taten!«
Hannah ergriff den nächstbesten Gegenstand – es war ausgerechnet die Bibel vom Nachttisch – und warf ihn Helmut an den Kopf.
24
Auf der Reise nach Böhmen waren die Brüder in gedämpfterer Stimmung als in den Jahren zuvor. Anstatt Vorfreude zu empfinden, war Helmut noch immer schlecht
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