Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
die Blicke nicht bemerken. Die Leute hier hatten doch sicher schon Mönche gesehen – auch wenn in deren Kleider zwei Mädchen steckten.
Am Tor zum Palast wurden wir aufgehalten. Ich behauptete, dass ich eine wichtige Mitteilung für den Fürsten Yoshinaka hätte. Die Wächter sahen mich misstrauisch an. Mit ihren langen Schwertlanzen wirkten sie furchterregend. Nach dem Vorfall mit den Taira im Wald hatte der Fürst seine Sicherheitsmaßnahmen bestimmt verschärft. Aber sie zogen meine Behauptung, aus dem Kloster Enryakuji zu kommen, auch nicht in Zweifel. Wahrscheinlich kannten sie die Kleidung unserer Mönche.
Schließlich bat ich unter Aufbietung meiner gesamten Höflichkeit darum, man solle irgendwen im Palast benachrichtigen, weil ich mit der Nachricht nicht vor den Toren übernachten wollte. Ein einfacher Soldat wurde losgeschickt, um im Palast Bescheid zu geben.
Nach einer schier endlosen Weile, die die Kitsune mit größter Gelassenheit ertrug, erschien der junge Soldat wieder. Er sagte etwas zu dem Wächter, der ihn losgeschickt hatte, was ich jedoch nicht verstand. Der Wächter bedeutete mir einzutreten.
Ein Mann in einem dunklen Kimono, der von zwei Dienern flankiert wurde, erwartete uns.
Die Kitsune und ich verneigten uns tief vor ihm, dann stellte ich mich vor.
Er wiederum stellte sich als Haushofmeister des Fürsten vor, Takada Ryuchi, und fragte nach unserem Anliegen.
»Ich bringe dem Fürsten eine Nachricht aus dem Kloster Enryakuji«, antwortete ich.
»Diese Nachricht kannst du mir übergeben.«
»Es gibt kein Dokument dafür, man hat es für sicherer gehalten, wenn ich sie dem Fürsten persönlich berichte. Deshalb bitte ich Euch in aller Demut darum, mich vorsprechen zu lassen.«
Die tiefe Verbeugung, die ich dabei machte, schien ihm zu gefallen, denn er nickte mir zu.
»Also gut, dann komm. Aber der Fürst befindet sich gerade in seiner Meditation, es ist möglich, dass du noch eine Weile warten musst.«
»Es wird mir eine Ehre sein auszuharren, wenn ich nur das Wort an den Fürsten richten darf.«
Ryuchi nickte gewichtig und bedeutete uns dann, ihm zu folgen. Er führte uns durch den Garten des Palastes, der zu dieser Jahreszeit einen etwas trostlosen Anblick bot. Dennoch hing ein süßer Duft in der Luft. Von Weitem vernahm ich die Stimmen der Dienerinnen, die in den Gemächern beschäftigt waren.
Zu gern hätte ich die Kitsune gefragt, ob sie schon ihresgleichen entdeckt hatte, doch das wagte ich in der Anwesenheit des Haushofmeisters nicht. Ich bemerkte jedoch, wie konzentriert sie neben mir schritt, als versuche sie, weit entfernte Gespräche zu belauschen.
Schließlich tauchte im ruhigeren Teil des Gartens ein Pavillon vor uns auf. Zunächst hielt ich ihn für einen kleinen Schrein, doch dann sah ich, dass er zu allen Seiten offen war – und dass in seiner Mitte eine Person saß.
Mein Herz stolperte, als ich sah, dass es sich um Yoshinaka handelte, der offenbar die Mittagsstunden nutzte, um zu meditieren.
Der Anblick des Fürsten bewegte mich und nahm mich gleichzeitig vollkommen ein. Er trug ein schlichtes, aber dennoch kostbar wirkendes Hemd, das er in den Bund eines weiten schwarzen Hakama gesteckt hatte. Sein Haar war zu einem kunstvollen Knoten geflochten. Aufrecht, voller Kraft und gleichzeitig Gelassenheit saß er da. Seine Hände lagen auf den Oberschenkeln, doch nicht so, als wären sie zufällig dort. Sie waren bedächtig an ihren Platz gelegt worden und sicher bereit, jederzeit zu dem Schwert zu greifen, das neben ihm lag. Doch da er offenbar keine Gefahr spürte, saß der Fürst da, als sei er weit weg, entschwunden in die Tiefen seiner Seele.
Plötzlich öffnete er die Augen. Erst jetzt verneigte sich der Haushofmeister vor ihm. So tief, dass man glauben konnte, er wolle mit der Nase den Boden pflügen.
»Verzeiht, mein Fürst, dass ich Euch aus Eurer Meditation reiße. Dieses Mädchen hier sagt, dass sie mit einer wichtigen Botschaft aus dem Kloster Enryakuji kommt.«
Als mir bewusst wurde, wie furchtbar unhöflich es war, den Fürsten bei seiner Andacht zu stören, warf ich mich zu Boden.
»Verzeiht, mein Fürst, wenn ich gewusst hätte, dass Ihr meditiert, hätte ich den Haushofmeister nie gebeten, mich zu Euch zu führen.«
Ich sah das Lächeln auf seinem Gesicht nicht, hörte es aber an seiner Stimme, als er nach einigen Augenblicken entgegnete: »Tomoe-chan, wie schön, dich zu sehen! Erhebe dich bitte, und hab keine Sorge, ich zürne dir nicht.
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