Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
findet, dass du dich albern benimmst«, sagte Hiroshi zufrieden. »Aber er hat auch ein zweites Stück genommen, das ist gut.«
»Vielleicht sollte ich ihm ein drittes geben?«, fragte ich, während das Herz in meiner Brust wild hüpfte.
»Nein, zwei sind genug. Du wirst morgen wieder hier heraufkommen und dieses Pferd rufen. Du wirst ihm Salz geben und versuchen, seinen Hals zu berühren. Nachdem du das ein paar Wochen gemacht hast, werden wir versuchen, ihm einen Sattel aufzulegen. Und dann wirst du den Hengst reiten.«
»Dann … soll das wirklich mein Pferd sein?«
»Wenn du es schaffst, dass er mit dir Freundschaft schließt, ja. Wenn nicht, müssen wir ein anderes Pferd für dich finden.«
Ich blickte zu dem Apfelschimmel auf. Er erschien mir riesig. Im Dorf hatte ich es nicht einmal gewagt, auf den Rücken eines Ochsen zu steigen. Und nun sollte ich auf diesem Pferd sitzen?
»Eines Tages wirst du auf diesem Pferd in die Schlacht reiten. Befolge meine Ratschläge, auch den mit dem Weg. Du darfst ihn nicht verlassen, nicht durch die Gegend laufen. Dein Leben hängt davon ab.«
Ich nickte, fragte mich aber dennoch, ob wirklich etwas passierte, wenn man den Weg verließ. Was war, wenn man fiel? Wenn man stolperte und bei dem Versuch, sich zu fangen, auf den Wegrand geriet?
All diese Fragen stellte ich Hiroshi nicht, denn ich wollte nicht, dass er es sich anders überlegte mit dem Apfelschimmel.
In den folgenden Tagen stieg ich allein den Bergpfad hoch. Ich schaffte es, dass Satoshi mir täglich zwei Salzbrocken gab, mit denen ich das Pferd füttern konnte. Nachdem der Hengst sich mir beim ersten Mal sehr zögerlich genähert hatte, kam er jeden Tag etwas bereitwilliger. Nach zwei Wochen blieb er an der Felskante stehen und sah mir nach. Sogar dann noch, als ich bereits wieder dem Weg nach unten folgte.
Allerdings fiel es mir zunehmend schwerer, dem Weg zu folgen. Während ich die Grashalme zwischen den Steinen betrachtete und das Salz in meiner Tasche wog, fragte ich mich, was an dem Boden jenseits des Wegrandes gefährlich sein sollte. Gut, man konnte den Halt verlieren und an einer besonders steilen Stelle hinunter ins Tal purzeln. Aber mehr nicht, davon war ich überzeugt.
Dennoch wagte ich nicht, den Weg zu verlassen. Ich ging zur Pferdeweide, rief meinen Apfelschimmel, fütterte ihn. Dann ging ich mit einem Kopf voller Gedanken wieder nach unten.
Hin und wieder begegnete ich Taketsuna, doch er sagte nichts zu mir. Das brauchte er aber auch nicht, um mir zu zeigen, wie groß seine Verachtung für mich war. Ein Blick reichte. Wenn er in der Nähe war, fühlte ich mich unwohl, als würde etwas die Luft verpesten, die ich atmete. Aber glücklicherweise sah ich ihn nicht häufig.
Der Frühling schritt voran, es wurde immer wärmer. Auf dem Berg blieb die Luft weiterhin frisch, während Satoshi davon berichtete, dass im Tal die Leute unter der Hitze litten. Und noch andere Geschichten brachte er mit, beunruhigende Geschichten von Toten, die im Wald gefunden wurden. Je nachdem, wie sehr der Erzähler an Geister glaubte, waren entweder Dämonen die Schuldigen oder Räuber. In meiner Vorstellung waren es Steuereintreiber, und alles in mir sehnte sich danach, sie aufzustöbern und Rache zu üben.
Wenig später eröffnete Hiroshi mir bei der nachmittäglichen Übungsstunde: »Wir werden morgen für ein paar Tage ausreiten. Derweil wirst du wie gehabt in der Küche arbeiten, dich um deinen Klosterflügel kümmern, üben und dein Pferd füttern.«
»Wohin reitet ihr?«, fragte ich.
Hiroshi zögerte kurz. »Uns wurde eine Räuberbande gemeldet, die am Fuße des Berges Unheil stiftet. Der Abt hat beschlossen, sie zu stellen, bevor sie noch mehr Bauern die Hütten niederbrennen.«
Sicher, dass es sich um die Männer handelte, die meine Familie auf dem Gewissen hatten, platzte ich heraus: »Lasst mich bitte mitkommen, ich könnte euch helfen.«
Hiroshis Blick sagte mir, dass er es bereute, mir etwas gesagt zu haben. »Nein, Tomoe-chan, das wäre zu gefährlich. Außerdem bezweifle ich, dass du uns schon von Nutzen sein könntest. Du kannst jetzt zwar besser mit deiner Naginata umgehen, doch es reicht nicht. Die Gegner würden dich aufspießen wie einen Fisch.«
Damit gab ich mich aber nicht zufrieden. Mein Arm brannte vor Kampfeslust, und der Hass, den die Arbeit so weit zurückgedrängt hatte, erwachte wieder in mir.
»Aber wie soll ich denn lernen, gegen sie zu bestehen, wenn ich nicht gegen sie kämpfen
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