Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
darf? Bin ich nicht ebenso gut wie Yamato?« Diesen Burschen hatte ich beim Training beobachtet und festgestellt, dass er wesentlich schlechter als ich mit der Naginata umging.
»Du bist besser als Yamato«, gab mein Meister zu meiner Überraschung zurück. »Aber denk daran, du bist zu wertvoll, um dein Leben einfach aufs Spiel zu setzen.«
Damit wandte er sich um.
Ich starrte ihm erschrocken hinterher. Enmas Diener kam mir wieder in den Sinn. Und erneut hatte mich Hiroshi auf meinen Wert hingewiesen. Doch ich war nur ein Mädchen, das seine Ausbildung mit Arbeit bezahlte. Ich war eine Bauerntochter, das Wertloseste von allem.
»Wie meint Ihr das, Sensei?«, rief ich ihm nach, doch er hörte nicht und verschwand bei den Pferdeställen. Dazu, ihm zu folgen, kam ich nicht, denn hinter mir rief Satoshi.
Würde er auch mitreiten? Wenn ja, würde die Sorge über die Küche nicht mir obliegen, sondern einem Mönch namens Yoshi, den alle den Aushilfskoch nannten. Yoshi war nicht wirklich ein Koch, doch seine Künste reichten immerhin aus, dass er die wenigen, die im Kloster zurückbleiben mussten, verköstigen konnte. Auch er würde sicher enttäuscht sein, dass er dableiben musste. Doch irgendwer musste auf das Kloster aufpassen.
Am Morgen, bevor die Mönche losritten, erwachte ich, weil ich das Gefühl hatte, dass jemand in meiner Kammer war. Jemand, der hier nicht hingehörte. Taketsuna, der mir zum Abschied einen Streich spielen wollte, damit ich seiner gedachte, bis er wieder zurückkehrte?
Als ich von meinem Lager aufschreckte, sah ich nur die Schatten der Nacht, die vom Morgenlicht allmählich in die Raumecken zurückgedrängt wurden. Wahrscheinlich hatte mir mein Verstand einen Streich gespielt.
Aus dem Hof waren Geräusche zu vernehmen, und so warf ich schnell mein Gewand über und trat ans Fenster. Vor dem Kloster standen etliche Pferde, unsere Pferdeburschen liefen zwischen ihnen umher und überprüften das Sattelzeug. Von den Mönchen selbst sah ich nichts, aber – hätte ich nicht auch dort unten sein sollen? Warum hatte mir Hiroshi nicht gesagt, dass ich helfen sollte? Hätte ich es von allein wissen sollen? Panik ergriff mich. Erst jetzt bemerkte ich eine kleine Schriftrolle, die mit einer Nadel am Fensterrahmen befestigt worden war. Sogleich beschleunigte sich mein Puls. Hatte also doch jemand mein Zimmer betreten!
Meine Hände zitterten, als ich die Schriftrolle öffnete.
Wenn es die Männer sind, die deine Eltern getötet haben, werden wir sie zur Rechenschaft ziehen!, stand dort. Die Schriftzeichen waren sehr ordentlich, und die Art, wie sie aufs Papier gebracht worden waren, kannte ich. Nur Hiroshi konnte so kleine Zeichen schreiben und jedes Häkchen richtig anbringen.
Bestimmt hatte er mir damit etwas Gutes tun wollen, doch mir sank bei dem Satz der Mut. Ich wollte die Räuber zur Rechenschaft ziehen! Würden die Seelen meiner Angehörigen auch zur Ruhe kommen, wenn jemand anderes ihre Mörder bestrafte?
Niedergeschlagen blickte ich nach unten. Ach, wenn ich nur mitreiten könnte! Doch mein Pferd konnte noch nicht gesattelt werden, und mein Lehrmeister würde niemals gestatten, dass ich sie begleitete.
In dem Augenblick traten die Mönche durch das Tor, das den Innenhof mit dem vorderen Hof verband. Sie alle trugen Rüstungen über ihren Gewändern, glitzernde Rüstungen, dazu Köcher und Bögen und die Naginata. Ich entdeckte Hiroshi in der Nähe von Takeshi, beide unterhielten sich, wobei mein Lehrmeister zu den Worten des Abtes nickte. Auch Taketsuna erkannte ich. Er schien meinen Blick nicht zu spüren, denn er nestelte an einem der Gurte, die seine Armschützer hielten. Seltsamerweise wollte ihm niemand zu Hilfe kommen.
Nun reiten sie los, dachte ich. Und wahrscheinlich werde ich nie die Gelegenheit bekommen, meine Eltern zu rächen. Sie werden ewig als Geister durch die Welt ziehen müssen.
Ich hielt meine Tränen zurück, als ich spürte, dass mich nun doch jemand ansah. Hiroshi hatte seinen Kopf gehoben und nickte mir zu. Offenbar wusste er nun, dass ich die Nachricht gefunden hatte. Ob er mir auch ansah, wie sehr sie mich bekümmerte?
Als die Mönche schließlich durchs Tor ritten, ein langer Zug aus Weiß und Silber, konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Ich verfluchte mich dafür, dass ich ein Mädchen war. Wäre ich ein Junge, hätten sie mich bestimmt mitgenommen.
Ich beruhigte mich jedoch rasch wieder. Vielleicht sind es ja nicht die Mörder meiner Eltern,
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