Die Samuraiprinzessin - Der Spiegel der Göttin: Band 1 (German Edition)
Kloster errichten, doch nur der Boden darunter, die Pferdeweide und der Weg dazwischen ist unser. Sobald wir den Weg verlassen, betreten wir das Reich der Schattenkrieger. Und diese reagieren sehr empfindlich auf die Verletzung des Abkommens.«
»Ihr seid … also Gefangene?« Vielleicht hatte das Gift meinem Verstand zugesetzt, doch für mich hörte sich das so an.
»Nein, wir können uns auf dem Weg frei bewegen. Jedermann darf das. Aber wer in die Wälder geht, verletzt das Abkommen. Jeder, der das tut oder sich ihren Unterschlüpfen nähert, wird als Feind angesehen.«
»Aber ich wollte ihnen … doch nichts tun!«
»Das wissen sie nicht. Und wenn doch, warst du ihnen wahrscheinlich einfach nur lästig!«
Wie hätte ich ihnen lästig sein sollen? Ich hatte mir doch nur die Bäume angesehen!
Aber ich sparte mir die Frage, denn obwohl meine Zunge mir wieder gehorchte und das taube Gefühl fast vollständig aus ihr gewichen war, kostete es mich sehr viel Kraft zu sprechen. Und meine Brust war nach wie vor taub.
So blieb es noch eine Weile, doch Hiroshi erzählte nicht weiter über das seltsame Abkommen mit den Schattenkriegern. Nein, er machte mir weiter Vorhaltungen, drohte damit, es dem Abt zu erzählen, mir Strafarbeiten aufzubrummen und mit mir wochenlang nicht mehr zu üben, sondern mich sämtliche Räume im Kloster putzen zu lassen.
Als mein Atem etwas leichter ging und Hiroshi sich eine kleine Pause von seiner Tirade gönnte, fragte ich: »Warum seid Ihr hier, Sensei?«
»Was denkst du denn? Der Abt hat mich vorausgeschickt, um die Wächter von unserer Rückkehr zu unterrichten.«
»Und wie kommt Ihr gerade hierher?« Wenn er nach Hause kam, galt doch seine erste Sorge gewiss nicht mir.
»Du solltest dich freuen, dass ich zur Stelle war, und mir keine dummen Fragen stellen. Wenn ich es mir recht überlege, bereue ich es fast, dass ich dir nachgegangen bin. Deine Rettung werden wir teuer bezahlen müssen, denn die Schattenkrieger werden Rache für ihren toten Bruder fordern. Wir müssen in der kommenden Zeit alle sehr auf der Hut sein. Während du allmählich wieder ganz zu dir kommst, kannst du dir ja überlegen, was du tun willst, um dein Vergehen wiedergutzumachen.«
Mit diesen Worten wandte er sich um und verschwand aus meinem Blickfeld. Da meine Nackenmuskeln immer noch steif waren, konnte ich ihm nicht hinterhersehen.
»Wohin geht Ihr?«, fragte ich.
»Zurück ins Kloster. Komm nach, wenn du wieder laufen kannst.«
Und was war mit den Schattenkriegern? Wenn sie mich hier fanden, würden sie mich gewiss töten!
»Aber Sensei!«, rief ich ihm nach, doch dann sah ich, dass ich mitten auf dem Weg lag. Eigentlich durften sie mich hier nicht angreifen, aber hielten sie sich daran?
Da Hiroshi es sich nicht überlegte und zurückkehrte – offenbar war das der erste Teil meiner Strafe –, blieb ich ängstlich am Boden liegen und wartete darauf, dass ich wieder Herrin meiner Gliedmaßen wurde.
Allmählich kam Leben in mich. Mein Nacken wurde beweglicher, meine Arme kribbelten, tauten aber wesentlich schneller auf als meine Zunge. Der Rücken und die Beine folgten, sodass ich schon wenig später glaubte, mich aufrichten zu können. Doch mein erster Versuch scheiterte kläglich.
So blieb ich hocken und blickte misstrauisch zum Wald. Ob die Schattenkrieger inzwischen den Verlust ihres Wachpostens bemerkt hatten? Würde man seinen Tod überhaupt den Mönchen im Kloster anlasten können? Was hatte Hiroshi mit der Leiche angestellt?
Und dann: Hatte Hiroshi vielleicht nur so getan, als würde er mich allein lassen? Suchte er, während ich hilflos dalag, vielleicht nach weiteren Schattenkriegern und hielt sie davon ab, mich zu töten?
So wütend, wie er gewesen war, bezweifelte ich das.
Als meine Beine schließlich stark genug waren, sah ich zu, dass ich zum Kloster zurückkehrte. Die ganze Zeit über hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden, ja, schlimmer noch, ich erwartete, dass mich jederzeit ein zweiter Pfeil treffen würde. Ein Pfeil, der mich dann endgültig umbrachte. Mein Herz raste vor Angst, und diese brachte mich auch dazu, nicht wieder den Weg über die Mauer zu nehmen, sondern durchs Tor zu gehen.
Yoshi erwartete mich mit in die Seiten gestemmten Händen. Mittlerweile hatte sich der Himmel über dem Kloster bezogen, passend zu dem Groll des Hilfskochs, wie mir schien.
»Wo treibst du dich die ganze Zeit herum?«, fuhr er mich an. »Glaubst du etwa, das Essen kocht und verteilt
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