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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph Wambaugh
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auf der Station verbrachte, mußte alle naselang zu einer Konferenz oder dergleichen in die Stadt. Er hielt nach wie vor auch seine Vorträge und gab Interviews, aber es waren längst nicht mehr so viele wie früher.
    Tony Puente erfüllte letztlich nicht mal sein Gelübde, einen so großen Weihnachtsbaum zu kaufen, daß er mit einem Kran aufgestellt werden mußte, trotz aller Vorsätze, die Glaubensgenossen seiner Frau zu demütigen. Der Baum war im Endeffekt kleiner als alle, die sie bisher gehabt hatten. Er versuchte auch nicht, irgendwas zu beweisen, als er das Haus schmückte. Die Dekorationen waren ausgesprochen spärlich. Und dann fing er auch an, ernsthaft mit ihr über ihre Religion zu reden. Er war einfach fürchterlich erschöpft.
    Der Abend des 25. Januar drohte recht kalt und feucht zu werden. Manny wurde an diesem Abend von Tony Puente, Joe Castillo, Carlos Chacon und Joe Vasquez begleitet. Robbie Hurt bildete mit Ernie Salgado das Reserveteam. Der neue Barfer, Gil Padillo, hatte ebenso wie Ken Kelly frei.
    Ken Kelly und Joe Vasquez waren vermutlich noch als einzige in der Lage, die Squad gelegentlich zu amüsieren, Ken Kelly manchmal wie in seinen besten Tagen. Big Ugly erschien gelegentlich gern in einem Arztkittel, und Ken Kelly nannte ihn dann Doktor Gewalt, wenn schon nicht Doktor Freud. Sie veranstalteten das Spiel, Betrunkene zu untersuchen, die zur Substation gebracht worden waren.
    Joe Vasquez, ausgerüstet mit einem Gummihämmerchen zur Reflexuntersuchung, sagte dann beispielsweise in einem Tonfall, den er für einen typischen Wiener Akzent hielt: »Dießem Menschen werden wir eine kostenloße pßychiatrische Unterßuchung angedeihen laßen.«
    Und Ken Kelly antwortete konstant: »Das ist aber schrecklich weiße von Ihnen, Doktor.«
    Und Joe Vasquez und die anderen mexikanischen Cops sagten dann zu Ken Kelly: »Hey, paß auf, paß auf!«
    Aber das Gelächter klang gezwungen. Sie hatten sogar kaum noch die Kraft zum Lächeln.
    An diesem Abend schleppten sie sich müde und erschöpft auf die Grenze zu, nachdem sie schon eine Menge marschiert waren. Offenbar waren sie neuerdings immer müde. Einige knüpften in aller Stille Fäden, um baldmöglichst einen neuen Job zu kriegen, und selbst Manny litt ziemlich unter dem Mangel an Anerkennung durch seine Leute, wie er es nannte. Die Barfer meckerten und beschwerten sich inzwischen über jede Kleinigkeit. Er fand das, was ihm mal am meisten Spaß gemacht hatte, immer mehr zum Kotzen, nämlich die Zeitungsberichte über die Squad, einfach, weil es sofort hundsgemeine Kommentare gab, wenn nur sein Name erwähnt worden war.
    Vor allem der neue Barfer war wirklich ein Könner, was die hundsgemeinen Kommentare betraf, und anscheinend verging auch keine Woche, in der Manny sich nicht gezwungen sah, bei einem der Bonzen ihre Existenz zu verteidigen, und dabei unvermeidlich die Ermahnung zu hören kriegte, mit BARF sei es definitiv aus, sobald einer ums Leben komme.
    Auf jeden Fall war auch Manny rechtschaffen erschöpft, als er sie an jenem Abend auf einen Hügel führte, von dem aus sie dann zwar einen frühen Mond, aber nur sehr wenige Grenzgänger sehen konnten, und ebenso wie alle anderen wünschte er sich, Handschuhe dabei zu haben, weil ihnen die Hände doch langsam kalt wurden.
    Auch die ständige Sauferei zeigte Wirkung. Bei Robbie Hurt war es am schlimmsten, aber auch einige andere waren aufgebläht und verquollen wie Ochsenfrösche. Zusätzlich zu ihrer normalen Angst hatten sie eine Art von Paranoia, die für exzessive Trinker typisch ist. Allen saßen ununterbrochen Dämonen im Genick, die ihnen ihre Krallen in die Kehle schlugen und ihren heißen Atem in ihr Ohr bliesen. Und ihnen dabei schreckliche Sachen zuflüsterten. Häufig fühlten sie sich, als hätten sie sich den Bauch mit kalter Erde vollgeschlagen. Sie fühlten sich nicht allein müde und erschöpft, sondern auch alt, diese jungen Männer. Dick Snider sagte, sie seien effektiv vor seinen Augen gealtert, und er habe sich häufig fragen müssen, was er mit seinem Experiment angerichtet habe.
    Es hatte Berichte über eine in diesem Canyon tätige Gangsterbande gegeben, die mir nichts, dir nichts auf eine Gruppe von Grenzgängern zuzugehen und den erstbesten Pollo niederzustechen pflegte, damit es die anderen mit der Angst zu tun bekamen. Daran dachte Manny Lopez, als sie den Berg hochstiegen, und für einen winzigen Augenblick sah er die Umrisse mehrerer Menschen am Horizont. Gleich

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