Die Sanddornkönigin
sollten heruntergesetzt werden.
5. Die Auswahl an Speisen und Getränken sollte vielseitiger sein.
Wir können diese Punkte erreichen, indem wir eine neue Restaurantform anstreben: das Büfettrestaurant!«
Hilke klappte den Hefter zu. Die junge Kommissarin war aus dem Badezimmer gekommen und frottierte sich das kurze Haar. Ihr Blick ging zu Hilke herüber.
»Sie lesen nicht mehr weiter? Was ist?«
»Es liegt schwer im Magen.«
»Die Brötchen oder die Lektüre?« Wencke Tydmers kramte ihre unausgepackte Reisetasche aus dem Schrank und wühlte darin, bis sie eine Jeanshose und einen schwarzen Pullover hervorgezogen hatte.
»Diese Ronja Polwinski war drauf und dran, meinem Sohn ein zweites Mal seinen Lebenstraum zu zerstören.«
Den Pulli nur halb über den Kopf gezogen, hielt die junge Frau inne. »Was soll das heißen?«
»Sie wissen es vielleicht nicht, aber mein Sohn war schon einmal Besitzer eines Feinschmeckerlokales.«
»Die Auster?«
Hilke war erleichtert, dass Fokke oder sonst jemand dieser Frau bereits davon erzählt hatte, sie wäre sich sonst wie eine Verräterin vorgekommen.
»Er hatte es von seinem leiblichen Vater geerbt, genau wie er auch dessen Hang zum Perfektionismus und das Talent zum Kochen in die Wiege gelegt bekommen hat.«
»Und es ist Konkurs gegangen, nicht wahr?« Die Kommissarin setzte sich zu ihr auf die Bettkante. Sie saßen jetzt beieinander wie zwei dicke Busenfreundinnen, die sich ihre allerletzten Geheimnisse anvertrauten, jedenfalls stellte Hilke sich vor, dass es bei Busenfreundinnen in etwa so aussehen musste, denn sie selbst hatte nie so etwas erlebt. Zu der Zeit, als ihre Mitschülerinnen kichernd auf ihren Tagesdecken geplaudert hatten, war sie schon Mutter gewesen, ausgestoßen von der Schule und gemieden von den anderen Insulanern. Nur mit Ronja, mit ihr hatte sie einmal so etwas wie eine Frauenfreundschaft gehabt, anfangs…
»Fokke konnte das Lokal nur drei Jahre halten. Es stand bereits bei der Übernahme in den roten Zahlen, doch er wollte das Pferd von hinten aufzäumen: alles renovieren, Top-Personal, Essen nur vom Besten und Feinsten und leider eben auch vom Teuersten. Mein Mann stand damals in direkter Konkurrenz zu Fokke, und da ein großes Hotel anders kalkulieren kann als ein kleines Restaurant, hat er meinen Sohn mit einem harten Preiskampf in die Knie gezwungen. Ich weiß, es hat Fokke damals härter getroffen, als wir alle nur ahnen können. Es ging erst wieder bergauf, als er seinen Stolz über Bord geworfen und die Küchenleitung im ›Dünenschloss‹ übernommen hat. Zum Glück hat Thore ihm hier weitestgehend freie Hand gelassen, und auch die ›Sanddorntage‹ sind eine enorme Herausforderung, die mein Sohn braucht, um das Selbstwertgefühl wieder zu mobilisieren. Es schien sich eigentlich alles zum Guten gewendet zu haben.«
Wencke Tydmers nahm die Mappe zur Hand und blätterte darin herum, scheinbar ohne sich den Inhalt wirklich anzusehen.
»Was hat es dann damit auf sich? Was steht in diesen Blättern, was Fokkes Lebenstraum… wie sagten Sie… zerstören könnte?«
»Nun, so wie ich es auf den ersten Blick verstanden habe, hat Ronja Polwinski einen Vorschlag erarbeitet, wie man den Stil des Restaurants dem Bedarf und der Altersstruktur der Juist-Gäste anpassen kann. Sie schreibt hier etwas von einem familienfreundlichen Büffetrestaurant. Warten Sie, ich lese mal weiter.« Sie nahm Wencke Tydmers die Mappe aus der Hand und schlug die nächste Seite auf.
»Familien mit Kindern müssen oft auf gehobenes Ambiente, Spitzenservice und exzellente Küche verzichten, da unter ›Familienfreundlichkeit‹ meist verstanden wird, dass alles abwaschbar ist, es ruhig laut sein kann und auf der Speisekarte Spaghetti Bolognese steht. Wir sollten diese Marktlücke schließen:
Kinderbetreuung in einem abgetrennten Raum, in dem die Kleinen auch essen können (ebenso hochwertige Küche wie bei den ›Großen‹).
Flexibleres Esserlebnis in kalt/warmer Buffetform, das thematisch wechseln kann (›Italienische Nacht‹, ›Aus Neptuns Schatzkiste‹ , ›Ostfriesenbüfett‹ etc.), durchgehend von 11.30 Uhr bis 22.30 Uhr geöffnet. Weitere Vorteile dieser Idee: Zwei Personalstellen im Restaurantbereich werden eingespart, effektiveres und preisgünstigeres Einkaufen als bei à la carte, mit Büfett-Abo können Stammgäste gefunden werden, neue Werbeidee (Familien-Gourmetrestaurant).«
Hilke nahm einen Schluck Wasser, ihr Mund war ausgetrocknet.
Die
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