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Die Sanddornkönigin

Die Sanddornkönigin

Titel: Die Sanddornkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Augen sehen konnte.
    Der erste Tisch war eingedeckt. Er kontrollierte die silbernen Platzteller auf Wasserflecken, rückte die polierten Orgelpfeifen aus Gläsern hier und da etwas zurecht, doch er hatte nichts wirklich zu beanstanden. Die Menükarten wiesen aufrecht den Weg durch den heutigen Abend, das schwere Besteck stellte die Weichen, die Messerspitzen zeigten exakt zu den Weingläsern, die den dazugehörigen Gang begleiteten, bis zum Dessertlöffelchen gab es kein Entrinnen aus der Melodie, die er für heute Abend komponiert hatte. Es war perfekt.
    Die Musik hatte ihm lange Zeit Kopfzerbrechen bereitet. Ronja hatte bereits einer Chansonette aus Bremen den Auftritt an diesem Abend mündlich zugesagt gehabt, was in Fokkes Augen wiederum ein Indiz dafür war, dass diese Frau von seinen Vorstellungen nichts begriffen zu haben schien.
    »Es werden Menschen kommen, die jeden Abend überdurchschnittliche Musik aller Kategorien zu hören bekommen und dabei perfekt kredenzte Nouvelle Cuisine futtern wie andere ihre Stullen bei der Daily Soap. Wenn wir einen Abend rund um die Sanddornbeere gestalten, dann können wir keine Musik spielen, die wie Schokolade klingt. Wir müssen diese Menschen an unserem Sanddornabend wachrütteln, sonst haben wir keine Chance, mehr als nur eine recht angenehme Erinnerung für sie zu werden.« Ronja hatte nur die Augen gerollt, doch als er ihr dann die Kassette vorspielte, eine laienhafte Aufnahme des niederländischen Sängers, der eigenwillige Experimente auf dem Akkordeon wagte, da hatte sie ihn für komplett verrückt erklärt.
    »Besser eine recht angenehme Erinnerung als ein Witz, über den noch Jahre später gelacht wird«, war ihr Kommentar gewesen. Er hatte sich durchgesetzt.
    Der Musiker war gerade angekommen und stellte sich einen schwarzen Barhocker auf die kleine Bühne, er brauchte keinen Verstärker, kein Mikrophon, keinen Bühnenstrahler. Das Gesicht des Künstlers war von Narben gezeichnet, sein Bart sah ungepflegt aus, und das Instrument war sicher genau so alt wie er, kein Teil aus Plastik, der Klang etwas schräg. Fokke wusste, er hatte die richtige Entscheidung gefällt. Das Publikum würde ihn lieben.
    Stimmengewirr schallte von der Eingangshalle herein. Fokke blickte durch die Glastür. Die ersten Gäste waren eingetroffen, niemand Besonderes, er erkannte lediglich den Chefredakteur der Ostfriesen-Zeitung und dessen Frau. Doch gleich würden die Menschen kommen, auf die es ankam. Es waren noch zwei Stunden Zeit, dann erlebten sie seine Inszenierung.
    Er sah Thore Felten zwischen den Menschen. Er schüttelte Hände, verbeugte sich leicht und schien den ankommenden Damen mit geneigtem Kopf originelle Komplimente zu machen.
    »Ja, zeig dich nur von deiner besten Seite«, dachte Fokke, »lass sie nur alle glauben, du wärest der Allergrößte. Denn je höher sie dich jetzt jubeln, desto tiefer wirst du heute Abend fallen. Sei dir deiner Sache sicher, glaube nur, dass dir und deinen fiesen Machenschaften keiner je auf die Schliche kommen wird. Denn dann wirst du beim süßen Dessert einen bitteren Nachschlag erhalten. Wenn du meinst, du bist ganz allein auf dem Höhepunkt angekommen, dann werde ich hinter dir stehen, dich vom Thron stoßen und deinen Platz einnehmen. Denn nur vom Händeküssen ist noch keiner in den Olymp aufgestiegen. Ich habe heute Nacht die Kommissarin geküsst, mein Lieber, und das ist die Einzige, auf die es heute ankommt bei unserem Duell, von dem du noch gar nichts ahnst.«
     
     
    Als diese kleine, etwas burschikose Frau ins Zimmer kam, da hätte Hilke sie am liebsten in die Arme genommen. Teils aus Dankbarkeit, dass sie sich das Bett und die Unbescholtenheit der Kommissarin für eine Nacht hatte ausleihen können, teils weil sie froh war, dass diese Wencke Tydmers die Sorte Mensch war, der sie Vertrauen entgegenbringen konnte.
    »Ich bin Ihnen etwas schuldig«, sagte sie leise.
    »Gut, dann tun Sie mir doch bitte den Gefallen und lesen sich das hier mal durch.« Wencke warf ihr einen Plastikhefter auf die Bettdecke. »Ich muss dringend duschen; wenn ich fertig bin, sagen Sie mir, was das zu bedeuten haben könnte. Ach, ich hatte heute Morgen keinen Appetit…«
    Sie hatte sich zwei belegte Brötchen mit nach oben genommen und reichte sie Hilke. Dann entkleidete sie sich rasch, Hilke vermied einen Blick auf ihre Nacktheit, und verschwand ins Badezimmer.
    Das erste Brötchen war mit getrocknetem Schinken belegt, eigentlich war es Hilke zu salzig,

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