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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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mein Eiswürfel, im kalten Winter mein Herdfeuer. Vor allem kennst du die Schliche der Liebe, läßt mich aus jeder Pore schwitzen, ölst alle meine Gelenke. Wer das Glück hat, in den Armen Sun Meiniangs zu schlafen, der ist wie ein Unsterblicher im Paradies ... « Während er sang, zog er mich langsam unter sich. Sein Bart, wie ein Pferdeschweif, bedeckte mein Gesicht.
    Ach Patenonkel, heißt es nicht: Wenn man unbedingt eine Blume pflanzen will, geht sie nicht auf, doch wenn sich ein Weidensetzling in die Erde verirrt, wird er ein schattenspendender Baum. Neulich, als du und ich uns liebten, sind wir bis in die Wolken aufgestiegen. Wer hätte gedacht, daß aus der Perle ein Drache gezüchtet werden könnte? ... Ich bin drauf und dran, dir eine große Freude zu bereiten und du sperrst meinen Vater ein und läßt ihn aufspießen ...
    Ich sehe Magister Dan vorbeigehen, gefolgt von den anderen Ehrenmännern, an der Reihe der sich wie wilde Wölfe gebärdenden Soldaten vorbei, die sie anstarren und mit ihren Gewehren auf sie anlegen. Abgesehen von Herrn Dan scheinen alle Männer bleischwere Füße zu haben. Sie gehen immer langsamer, als würden ihre Füße am Boden festkleben, während Dan Wen unverzagt weiterschreitet. Als er den Torbogen mit den Inschriften passiert, stampfen die Soldaten mit ihren Gewehrkolben auf. Die Prozession der Honoratioren stockt. Magister Dan seinerseits hält hinter dem Torbogen in seinem Marsch inne. Ich trete aus der Gruppe der Frauen hervor und laufe nach vorn, dränge mich durch bis zum Torbogen und lassen mich zwischen Magister Dan und den Honoratioren auf die Knie fallen. Mein Weinen läßt sie erschrocken die Köpfe nach mir umdrehen. In einem Ton zwischen Singen und Berichten sage ich: »Meine Herren, Exzellenzen und Ehrenmänner, Ladeninhaber und Landbesitzer, ich, die Tochter Sun Bings mit Namen Meiniang, gehe vor Euch auf die Knie, ich flehe Euch an, meinen Vater zu retten. Mein Vater ist ein Rebell, das stimmt, aber er hat nicht ohne Grund zur Waffe gegriffen. Es heißt doch: ›In höchster Not beißt selbst der Hase.‹ Mein Vater ist ein Mensch mit vielen Tugenden, er hält sich an die Riten, er ist ein Mann von Charakter. Wenn mein Vater eine Gruppe von Leuten um sich geschart hat, um sie gegen die Deutschen aufzuwiegeln, geschah das im Interesse aller. Meine Herrschaften, erbarmt Euch und schützt das Leben meines Vaters ...«
    Während die Worte aus mir heraussprudeln, hebt der großgewachsene Magister Dan sein langes Gewand an und macht ein paar Schritte vorwärts. Er läßt sich vor den Soldaten auf die Knie sinken. Aber ich weiß, daß er nicht die Soldaten meint mit dieser Ehrenbezeugung, sondern das Yamen, den Präfekten, meinen Patenonkel, Seine Exzellenz Qian.
    Ach, Patenonkel! Der Bauch deiner Meiniang schmerzt, er trägt den kleinen Schatz in sich, unseren Nachkommen, deinen Sohn, der die Familie Qian weiterführen, und deinen Ahnen opfern wird. Selbst wenn du mir nicht ins Gesicht sehen willst, dann sieh wenigstens Buddha ins Gesicht und rette das Leben des Großvaters dieses Kindes.«
    Nachdem sich Magister Dan niedergekniet hat, folgen die Honoratioren seinem Beispiel und dann die ganze schwarze Menschenmenge. Alle knien. Herr Dan zieht eine Schriftrolle aus seinem Gewand, entrollt sie. Die Tuschekalligraphie darauf ist weithin gut sichtbar. Mit lauter Stimme deklamiert er: »Sun Bing hat eine Rebellion angeführt, doch dies geschah nicht ohne Grund. Seiner Frau hat man Leid zugefügt, die Empörung hat ihm die Sicht getrübt. Wenn er sich an die Spitze der Aufrührer setzte, so deshalb, weil er Gerechtigkeit für das Volk will. Er hat den Tod nicht verdient. Seid ihm gnädig! Laßt Sun Bing gehen und entsprecht damit dem Wunsch des Volkes!«
    Magister Dan hält die Petition mit beiden Händen hoch über seinen Kopf, als würde er darauf warten, daß jemand käme, um sie anzunehmen. Doch im Yamen, das von der Reihe der grimmig dreinblickenden Soldaten abgeriegelt ist, bleibt es still. So still wie eine verlassene Tempelruine liegt das Gebäude da. Dünne, schwarze Rauchfahnen steigen noch immer vom Dach der Küche auf, und der Gestank der toten Bettler weht herüber.
    Gestern nacht haben große Helden für Aufruhr im Yamen gesorgt, helle Flammen und lautes Geschrei stiegen zum Himmel auf. Wäre ich nicht selbst dabeigewesen, ich könnte diese schreckliche Geschichte niemals glauben. Noch die Erinnerung daran läßt mich schaudern. Ich sah, wie den braven

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