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Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition)

Titel: Die Sandelholzstrafe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Examenskandidat Ma ginge hin, und kratzte sie selbst mit seinem langen Fingernagel hinein!«
    Die versammelten Gäste konnten ein boshaftes Gelächter nicht unterdrücken. Das blasse und vertrocknete Gesicht des Examenskandidaten Ma überzog sich mit Schamesröte und er sagte, um die Situation zu retten, selbstironisch: »Genau, ganz genau, wie könnte so eine Heilige denn jemals Pockennarben haben. Lächerlich!«
    Li Wu warf einen kurzen Blick auf den inzwischen beinahe leergeputzten Teller vor Sun Bing, schluckte einmal fest und sagte: »Das Verhältnis zwischen mir, eurem Bruder, und Seiner Exzellenz Qian sucht wirklich seinesgleichen. Einmal sagte er sehr freundlich zu mir: ›Kleiner Li, uns beide kann nichts trennen. Ist es nicht so, als schlügen unsere Herzen im gleichen Takt, als seien unsere Lungen, unsere Gedärme, unsere Mägen eins ...‹«
    Sun Bing brach in ein zynisches Lachen aus, es fehlte nicht viel, und er hätte sich an seinem Fleisch verschluckt. Er machte einen langen Hals, damit es schneller hinunterrutschte und rief: »Das soll wohl heißen, wenn Seine Exzellenz satt ist, dann bist du auch nicht mehr hungrig?«
    Li Wu erboste sich: »Was willst du damit sagen, Sun Bing? Du kannst von Glück sagen, daß du ein Schauspieler bist, einer, der den ganzen lieben langen Tag Kaiser, Generäle und Minister, Scholaren und Schönheiten spielt. Doch obwohl du von deren Weisheit und deren Tugenden singst, bist du selbst ein ignoranter Hohlkopf geblieben. Auf dem ganzen Tisch gab es gerade mal ein einziges Fleischgericht. Das hast du dir alleine einverleibt, dir den Mund vollgestopft, daß das Öl herunterlief, und wagst es auch noch, beleidigende Reden zu führen!«
    »Nachdem du all die Seegurken und Abalonen, Kamelhufe und Bärentatzen, Igelköpfe und Schwalbennester genossen hast, was kümmert dich da eine Platte fettes Schweinefleisch?«
    »Da will einer den Bauch eines Nichtswürdigen mit dem Herzen eines Ehrenmanns vergleichen! Meinst du denn, ich würde hier für mich sprechen? Ich versuche lediglich, den ehrenwerten Herrschaften am Tisch zu ihrem Recht zu verhelfen!«
    Sun Bing entgegnete heiter: »Die sind doch schon satt vom Lecken in deinem Arsch, was brauchen sie da noch Fleisch zu essen?«
    Die aufgebrachte Tischgesellschaft begann einträchtig gegen Sun Bing zu zetern und zu geifern, doch Sun Bing blieb ungerührt. Er verputzte in aller Seelenruhe die Reste auf seinem Teller, brach sich noch ein Brötchen ab und tunkte damit die Soße auf, bis der Teller blank war. Zur Krönung des Ganzen stieß er einen ordentlichen Rülpser aus, steckte sich eine Pfeife an und rauchte in aller Zufriedenheit.
    Li Wu schüttelte den Kopf und holte tief Luft: »Feine Eltern, die Nachwuchs in die Welt setzen, ohne ihm irgendeine Erziehung angedeihen zu lassen. Dich sollte man wirklich von Seiner Exzellenz einsperren und dir fünfzig Hiebe versetzen lassen!«
    Examenskandidat Ma mischte sich ein: »Laß doch, laß doch, Bruder Li. Die alten Gelehrten genossen das Privileg der freien Rede, statt Wein zu trinken und Fleisch zu essen. Erzähle uns einfach noch ein paar Geschichten aus dem Yamen. Das ist für uns, als hätten wir lauter Fleischgerichte verdrückt!«
    »Ich habe keine Lust mehr«, polterte Li Wu. »Aber, um es in einem letzten Satz zusammenzufassen: Seine Exzellenz Qian ist ein großes Glück für uns einfache Leute von Gaomi. Wie sollen wir einen Mann von solchen Fähigkeiten in unserem unbedeutenden Landkreis halten können? Früher oder später wird er befördert und versetzt werden. Von anderem ganz zu schweigen, aber wenn man es nur von seinem himmlischen Bart abhängig machte, müßte er mindestens zum Provinzgouverneur aufsteigen; und mit etwas Glück wird er ein Minister, eine Säule des Staates wie einst Zeng Guofan.«
    »Wenn man Seine Exzellenz Qian für ein höheres Amt nominiert, wird Bruder Li Wu bestimmt mit ihm die Erfolgsleiter hochklettern«, warf Examenskandidat Ma ein. »Wie das Sprichwort sagt: ›Wenn der Mond voll ist, leuchten die Glatzen, wenn das Wasser steigt, steigt auch das Boot‹. Laß mich mit dir anstoßen, Bruder Li, denn wenn du erst einmal die Rangleiter hinaufgestiegen bist, werden wir dich, so fürchte ich, kaum mehr zu Gesicht bekommen!«
    Li Wu leerte seinen Becher und sagte: »In der Tat. Für uns Dienende geht es nur um eins: Treue und Pflichterfüllung in jeder Lage. Wenn dein Herr dir ein Lächeln schenkt, spiele nicht den stolzen Gockel, wenn dein Herr

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