Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers
anderen im Haus. Er sitzt in einer Ecke seiner Strohbox und atmet sehr schnell, wie es Meerschweine eben so machen, wenn sie sich wohlfühlen. Wie sie es sowieso immer machen. Wasser hat er, Knabbereien hat er, ausgemistet werden muss er auch nicht. Er fiepst nicht mal. Alles in Ordnung. Mit hängenden Schultern gehe ich wieder nach drinnen.
Annette und ihr Gemüse-Lover hätten jederzeit vorbeikommen können. Sie himmelt ihn ja nicht erst seit gestern an, aus welchen Gründen auch immer. Die Liebe ist ein seltsames Spiel. Mussten sie sich ausgerechnet jetzt dazu entschließen, sich zu vereinigen und einen Ausflug auf den Bauernhof zu unternehmen? Das passt mir so gar nicht ins Konzept. Ich verliere ungern die Kontrolle. Herr Müller stellt sich schneller auf unvorhergesehene Situationen ein. Sieht man ja. So fix stand der Finne noch nie auf dem Tisch.
Was soll ich denn schon mit ihnen bereden? Mein Verhältnis zu Annette ist hauptsächlich professionell. Das mag daran liegen, dass weder sie noch ich bislang ein nennenswertes Privatleben hatten, also wenig, worüber man sich austauschen oder womit man angeben konnte. Wie es beim Gemüsemann in dieser Beziehung aussieht, kann ich nicht sagen, aber ich würde durchaus hohe Summen darauf verwetten, dass es sich ähnlich verhält. Er fährt Kartoffeln durch die Gegend, was soll man da erwarten? Wie hieß er noch mal? Albert? Zusammen sind die beiden immer noch langweilig. Doppelt langweilig. Ich meine, jetzt mal im Ernst, wir ziehen hier den Coup unseres Lebens durch, haben sowieso nicht allzu viel Zeit, die wir mit Herrn Jauch verbringen können, und dann platzen die beiden bei uns rein und denken, die Welt hätte aufgehört, sich zu drehen, nur weil sie sich mal nackt gesehen haben. Das ist ganz schön unfair. Ich will mein Verbrechen genießen können, und das geht nur, wenn sie aus dem Haus sind.
Aber was die können, kann ich schon lange. Striche durch Rechnungen machen ist mein zweiter Vorname. Das war ein dummer Gedanke, denke ich, als ich eine Nummer ins Telefon eintippe. Paul Strichedurchrechnungenmachen Wildensorg klingt reichlich bekloppt. Es knackt in der Leitung, es tutet dreimal, ich habe mein Ziel erreicht. Ich frage Etienne, ob er sich nebenbei was dazuverdienen möchte. Natürlich möchte er das. Ich gebe ihm Instruktionen. Der Junge ist genauso begabt, wie er gut aussieht, das weiß ich mittlerweile, und wenn er was für sich behalten soll, dann macht er das.
»Alles klar, in zehn Minuten. Und dieses Gespräch hat es nie gegeben«, sagt er verschwörerisch zum Abschied. Wenn er nicht mal Model im Otto-Katalog wird, könnte er es auch als Geheimagent versuchen. Den Slang beherrscht er jedenfalls.
Dienstag, zehn Minuten später
»Du bist ganz schön ungeschickt, Paul«, sagt Katja und schüttelt mütterlich ihren hübschen Kopf. Ich weiß auch nicht genau, wie mir das passieren konnte, verdeutliche ich durch meine Gestik. Nachdem ich das Telefon scheinbar unachtsam auf dem Küchentisch habe liegen lassen, wollte ich mir Sirup aus dem Kühlschrank holen und, huch, nun sind meine Hände voll damit. Zu allem Übel klingelt nun auch noch das Telefon, und ich kann nicht rangehen, als ich verlangt werde.
»Wer ist es denn, Katja?«
»Ein Herr Oberhaid aus dem Supermarkt, sagt er.«
»Wenn es um den Laden geht, gib den Hörer doch gleich Annette«, schlage ich vor und hebe meine Siruphände. »Wir wissen ja beide über alles Bescheid.«
Wow, noch ein ungeplantes Kompliment on top an die Frau, die ich loswerden will. Was bin ich für eine perfekte falsche Schlange!
»Na, das ist aber ein Zufall«, sagt Annette und übernimmt das Telefon.
Sie lauscht, sagt »Aha«, sagt »Oh«, sagt »O mein Gott«, sagt »Mache ich, mache ich«, legt auf und sagt: »Wir müssen leider los.«
Ich produziere einen glaubhaften Laut des Bedauerns.
»Notfall im Laden«, sagt sie. »Es geht um Gemüse. Wir werden beide gebraucht, Achim.«
Dem Gemüsemann, Achim, scheint die Information nicht zu schmecken, der Schnaps dafür umso mehr. Zusammen mit Herrn Müller nimmt er noch einen zum Abschied, und raus sind sie. In ihrer Eile und Aufgebrachtheit hören sie nicht einmal das unverhohlene Kichern aus dem Gästezimmer, als sie daran vorbeihasten. »Diese Römer!«, kommt es dumpf von drinnen, gerade als ich die Tür hinter den hinforteilenden Hausgästen schließe.
Ich warte, bis ich den Motor starten höre, dann klopfe ich Herrn Jauch aus seinem Zimmer.
»Die Luft ist
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