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Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Titel: Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ritter
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vonstatten ging. Wird man ja mal ausplaudern können, irgendwann. Herrn Jauch fällt die Partnerwahl sichtlich schwer. Ich glaube, er will nicht mit Katja spielen.
    »Also, Sie beide«, er deutet mit dem Kopf auf Herrn Müller und mich, »Sie kennen sich wirklich zu gut, um zusammen in einer Mannschaft zu spielen. Immerhin teilen Sie sich seit Jahren diesen Hof, da sind Sie quasi schon eingespielt, die Gegner hätten überhaupt keine Chance. Wäre es nicht schön, wenn das Paar«, damit meint er natürlich Katja und Herrn Müller, »auch ein sportliches Paar wäre?«
    »Au jaaa«, freut sich Katja und geht ihm in die Falle. Ich freue mich natürlich auch. Ich darf mit Herrn Jauch spielen. »Wir können ja später mal Partnertausch machen«, schlägt Herr Müller in leiser Hoffnung vor.
    »Natürlich können wir das«, sagt Herr Jauch. »Aber jetzt sollten wir erst mal anfangen.«
    Herr Müller war mit Absperrband, einer Auswahl an Schlägern, fünf Federbällen und einem tadellosen Volleyballnetz samt Stangen aus dem Keller zurückgekehrt. Es scheint wirklich nichts zu geben, was es dort unten nicht gibt. Er hatte sich alles auf einmal aufgeladen, was ihm meinen ehrlichen Respekt einbrachte. Beim Aufbau der ganzen Chose übernahm jeder die Rolle, die er am besten beherrscht, das heißt, Herr Jauch hat wieder eher moderiert, als mit anzupacken. Als es kurzzeitige Probleme mit der Netzentwirrung gab, hat er die Anekdote vom umgefallenen Tor in der Champions League zum Besten gegeben, das er zusammen mit Marcel Reif kommentieren musste. Katja kannte die Geschichte noch nicht. Herr Müller und ich haben also die Linien gelegt und fixiert, das Netz aufgestellt, und Katja hat ab und an etwas angereicht oder gehoben, und sonst hat sie gestaunt und »oooh« und »aaah« gesagt. Außerdem hat sie Orangensaft ausgepresst und sich ein weißes Kleidchen angezogen.
    Das Spiel beginnt. Günther Jauch semmelt den ersten Aufschlag ins Netz.
    »Das gilt noch nicht, wir spielen uns noch warm«, kommentiert er sich selbst.
    Mittwoch, 15.00
    Wir haben uns sehr lange warmgespielt, aber als wir endlich mit dem Zählen angefangen haben, wurde es auch nicht unbedingt besser. Dabei sollte man doch von jemandem, der lange Zeit als Sportmoderator tätig war, vielleicht ein Mindestmaß an Sportlichkeit erwarten können! Na gut, er hat meines Wissens nie Federball kommentiert oder Tennis oder sonst irgendetwas Artverwandtes, Lacrosse oder wie das heißt, oder Squash oder Teppichklopfen. Federball ist doch das Einfachste!
    In meiner Vorstellung von seinem Alltagsleben hat Günther Jauch immer Federball gespielt. Mit einem cremefarbenen Kaschmirpullover über den Schultern und elfenhafter Eleganz und Leichtigkeit. Auf einer sattgrünen Wiese neben einem See von so erhabenem Blau, dass Pepsi es sich patentieren lassen möchte. Gegen Karl Lagerfeld, der dabei von tuchbehangenen Teenager-Models wie Majestix auf einem Schild umhergetragen und Richtung Ball geschwenkt wird. Oder gegen Barack Obama. Erst eine Runde Federball, dann ein kleines Kaltgetränk mit kumpelhaftem Fistbump und Genießen des Ausblicks Seit an Seit.
    Günther Jauch hat diese meine Fantasie über ihn leider zerstört, als er sich als ungelenker Staks entpuppte, der lieber auf Aus spekuliert, anstatt das Spiel voranzutreiben und Kampfgeist zu zeigen. Ach, ich könnte mich aufregen! Ich mach’s aber nicht. Ich bin viel zu entspannt, um mich aufzuregen. Nach der Satzniederlage mit nur fünf Punkten unsererseits gab es eine Satzniederlage mit vier Punkten unsererseits, und das Match war gelaufen. Schließlich haben wir wirklich noch die Partner getauscht, und ich habe endlich gewonnen, zusammen mit Katja. Dann haben wir noch mal Partner getauscht, und Herr Müller und ich waren absolut unschlagbar, ein Satz endete zu null. Das darf man eigentlich gar nicht erzählen, der ganze Mythos Jauch käme in Gefahr, wenn man wüsste, dass es da eine Sache gibt, die er nicht wirklich beherrscht. Drei Niederlagen in drei Matches.
    »Gegen meine Kinder gewinne ich immer«, war eine seiner Entschuldigungen. Immerhin. Und dass er schon früher im Sportunterricht immer »kolossal fehlbenotet« wurde, weil ihm Herr Körbrück immer eine Vier plus gegeben hat, egal, was er geleistet hat. Um Ausreden ist der Mann echt nicht verlegen, ich bin da aber eher beim Sportlehrer.
    Zwischen den Sätzen gab es im Interesse aller reichlich Pausen. Tatsächlich haben wir auch das Mittagessen schon um elf Uhr als

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