Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers
Vielleicht sogar noch einer drüben im Dorf? Womöglich zündet Wimmu gerade Daniel Craig eine Zigarre an, oder Frau Oberhaid lässt sich von Hannelore Elsner die Nägel machen, vielleicht haben die Scheßlitz-Zwillinge Justin Bieber zu Hause und spielen mit ihm Mario Kart auf der PlayStation.
»So nah und doch so fern«, schmachtet Katja. »Heidi Klum hätte ich schon gern mal kennengelernt.«
»Ach so, ja, das hab ich noch gar nicht erwähnt«, sage ich, »sie kommen später zum Grillen vorbei. Ihr müsstet mir kurz helfen, die Sachen aus dem Auto zu laden.«
»Die Sachen« sind ein neuer Kugelgrill in Übergröße, diverse Sorten Fleisch, Gemüse, Maiskolben, Grillkohle, Grillanzünder, Alkoholika und Getränke der fruchtigen Art – was man eben so braucht für eine Promi-Party.
Da ich Etienne versprochen hatte, noch im Laden vorbeizuschauen, um ihn wissen zu lassen, wie es Frau Rottenbauer geht, habe ich bei der Gelegenheit gleich alles mitgenommen. Dass wir gerade Grillwochen und dementsprechende Angebote haben, war ein glücklicher Zufall. »Bin ich auch eingeladen?«, hat Etienne grinsend gefragt, da der Anlass meines Einkaufs nur allzu offensichtlich schien.
Nachdem ich rot angelaufen war und es dreimal mit einer ausweichenden Antwort versucht hatte, habe ich seine Frage schließlich mit »Ist was Privates, sorry« abgeschmettert. Natürlich war ich damit nicht zufrieden, die Frage hatte mich einfach kalt erwischt. Ich bezweifle, dass es nicht ein bisschen Misstrauen in ihm geweckt hat. Aber er weiß gar nicht, wo ich wohne, daher kann er auch nicht einfach so überraschend vorbeischauen. Wäre so oder so unhöflich.
»Wow, toll, klasse«, kommentiert Katja jede einzelne Zusatzinformation von mir, während wir die Sachen nach drinnen tragen.
»Ich dachte, Heidi wird sicherlich nicht viel fettiges Fleisch essen wollen, deshalb hab ich auch Zucchini zum Grillen mitgenommen.«
»Wow.«
»Vorhin beim Apfelkuchen hat sie allerdings schon ganz ordentlich zugelangt.«
»Toll.«
»Wir müssen sie übrigens abholen, Frau Rottenbauer hat kein Auto.«
»Klasse.«
»Das erledige ich gern«, sagt Herr Müller, den Grill schulternd.
»Was ist denn hier los?«, fragt Günther Jauch, der, sich mit einem Handtuchzipfel im Ohr pulend, vor der Haustür zu uns stößt. Er trägt nass-platte Haare und einen seiner Anzüge, wir haben uns schon lange daran gewöhnt. Die Krawatte ist heute orange-rot gestreift, mit amerikanischem Streifenverlauf, von links oben nach rechts unten.
»Heidi Klum kommt zum Essen vorbei!«, quiekt Katja.
Günther Jauch zuckt gleichgültig mit den Schultern.
»Und Frau Rottenbauer«, füge ich an.
»Frau Rott-en-bau-errr?«, wiederholt er nachdenklich und so langsam, als würde er von einer seiner Moderationskarten ablesen. »Doch nicht etwa Ursula Rottenbauer?«
»Doch, genau die«, bestätige ich leicht verwirrt.
»Wow«, sagt er anerkennend. »Da haben Sie aber Glück. Die kann Ihnen noch viel beibringen. Sie hat meines Wissens schon 1972 Wim Thoelke entführt. Hat mir Wigald Boning mal erzählt, der kennt sich in der Materie ganz gut aus. Vielleicht gibt sie mir ja ein Autogramm.«
»Wer ist Wim Thoelke?«, fragt Katja.
Donnerstag, 19.16
»Aber sie soll sich doch willkommen fühlen«, sagt Katja und zieht einen Schmollmund.
Es ist nicht das erste Mal, dass ich mich eher wie ihr Erziehungsberechtigter fühle als wie ihr … als wie der Freund ihres Freundes. »Ich denke, das wird sie auch dann, wenn du kein Banner über die Tür hängst, auf dem HALLO HEIDI geschrieben steht. Das kannst du ihr auch ganz einfach sagen.«
»Jetzt hab ich mir extra so viel Mühe gegeben«, sagt sie eingeschnappt.
»Aber du hast dir doch vorher schon ganz viel Mühe mit der Gartendekoration gegeben, das wird Heidi sicherlich auch sehr positiv auffallen«, versuche ich, sie zu besänftigen.
Tatsächlich hat Katja den Garten sehr schön hingekriegt. Direkt nach dem Autoausladen ist sie noch einmal extra rüber ins Dorf gefahren und hat große Fackeln besorgt, die man in den Boden stecken kann, Girlanden, Lampions, farblich dazu passende Tischdecken, kleine Blumengestecke für die Deko und zwei große Blumensträuße für Frau Rottenbauer und Heidi Klum. Einen davon halte ich in Händen, den anderen sie. Wir stehen vor der Haustür und erwarten die Ankunft der Gäste. Das Banner habe ich wieder abgenommen und sicher im Haus verstaut, sodass Katja es zumindest während des heutigen Abends nicht
Weitere Kostenlose Bücher