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Die sanfte Hand des Todes

Die sanfte Hand des Todes

Titel: Die sanfte Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbie Taylor
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Ehemänner oder die letzte Folge von Coronation Street zu plaudern – in Dawns Augen eine Methode, die zur Ermittlung des Gesamtzustandes eines Kranken ebenso geeignet war wie Fiebermessen. Sie stellte sich vor, wie Mandy mit bleichem Gesicht im Büro der Personalverwaltung saß, krank vor Sorge. Was sollte aus ihrem kleinen Sohn werden, wenn sie ihren Job verlor? Mandy gehörte zu Dawns Team. Dawn war für sie verantwortlich. Es durfte nicht so weit kommen.
    Dawn ließ die Schultern hängen. Kaum hatte sie ein Problem gelöst, tat sich ein neues auf. Würde das je ein Ende haben?
     
    »Es geht um das Vorhängeschloss an meinem Gartenschuppen«, erklärte Dawn. »Ich habe wohl den Schlüssel verloren.«

    Im Eisenwarenladen roch es nach Farbe, Pappkartons und Öl. Vor dem Tresen erstreckte sich eine lange Reihe aus Behältern für Schrauben, Nägel und unzählige andere kleine Metallobjekte. Der Junge an der Kasse trug einen Overall, auf dessen Brusttasche der Name Alan in Rot eingestickt war.
    »In dem Fall«, sagte er, »brauchen Sie einen Bolzenschneider.«
    Er führte Dawn durch einen Gang, vorbei an Regalen mit Pinseln und Terpentinflaschen, und blieb vor einem Ständer mit länglichen Plastikverpackungen stehen.
    »Bitte sehr.« Er drehte einige der Päckchen um. »Welche Sorte brauchen Sie denn? Einen Seitenschneider? Gewinkelt?«
    »Keine Ahnung.« Dawn starrte die Ansammlung von Griffen und Hebeln ratlos an. »Es ist ein ganz normales Vorhängeschloss.«
    »Wie groß?«
    »Na ja … vielleicht so?« Sie zeigte die Größe mit Daumen und Zeigefinger an.
    Alan nahm ein Paket vom Ständer. »Dieser hier ist ganz gut«, sagte er. Dawn sah zwei leuchtend rote Plastikgriffe hinter der Folie. »Unser beliebtestes Modell.«
    »Wie funktioniert er?«
    Der junge Mann erklärte es ihr. »Sie führen den Bügel des Schlosses – den dünnen Teil – zwischen die Kneifer. Und dann drücken Sie die Griffe zusammen.« Er presste die Knöchel seiner Hände zusammen und machte ein gurgelndes Geräusch, vermutlich um das Bersten von Metall zu imitieren.
    Dawn betrachtete die gebogenen Kneifer. Es funktionierte also so ähnlich wie eine Wundklammerzange.
    »Und das Modell ist beliebt?«, fragte sie. »Man bekommt es überall? In jedem Laden?«

    Alan zuckte die Achseln. »So ungefähr.«
    »Na schön. Ich nehme es.«
    Auf dem Nachhauseweg überdachte Dawn ihren Plan noch einmal. Er war gewagt. Sie würde sich heute Nacht auf die Station zurückschleichen und das Vorhängeschloss am Morphiumschrank aufbrechen. Dann würde es so aussehen, als hätte ein Fremder die Ampullen entwendet, und Mandy wäre aus dem Schneider. So einfach war das.
    Anfangs war ihr der Plan verrückt vorgekommen, aber je länger sie darüber nachdachte, desto machbarer erschien er ihr, vorausgesetzt, sie traf ein paar Sicherheitsvorkehrungen. Die jüngsten Diebstähle im Krankenhaus hatten sie auf diesen Gedanken gebracht. Falls sie im Krankenhaus gesehen wurde, könnte sie einfach sagen, sie habe etwas vergessen. In dem Fall würde sie den Plan natürlich abbrechen und sich etwas Neues ausdenken müssen. Aber es war einen Versuch wert.
    Zu Hause, in ihrer Küche, entfernte sie die Plastikverpackung des Bolzenschneiders. Das schwere Gerät sah schiefergrau und ölig aus. Dawn vermied es, das Werkzeug mit bloßen Fingern zu berühren. Sie wickelte es in eine Zeitung und verstaute es in ihrer blauen Handtasche, in die es knapp hineinpasste.
    Am verzwicktesten war das Timing. Am einfachsten wäre es, bis nach neun Uhr zu warten, wenn die Nachtschicht angefangen hatte und sich nur noch wenige Leute im Krankenhaus aufhielten. Falls sie jedoch zu lange wartete, würde die neue Schicht möglicherweise die leere Schachtel bemerken. Dawn warf einen Blick auf den Dienstplan. Elspeth und eine Leihkraft namens Lucy, die Dawn nicht kannte. Elspeth genoss den »Heimvorteil«, würde den Schlüssel an sich nehmen und sich kaum die Mühe machen, alle Ampullen nachzuzählen. Solange die Aushilfe nicht außergewöhnlich gewissenhaft
war, würde das Fehlen der Ampullen heute nicht mehr auffliegen. Dawn beschloss, es wenigstens zu versuchen.
    Sie zwang sich, etwas zu essen: eine Banane und eine Scheibe Toast. Dann steckte sie die Morphiumampullen vorsichtig in den DIN-A3-Umschlag. Sie schrieb einen weiteren Brief an den Erpresser und legte ihn dazu:
    Dies ist der letzte »Gefallen«, den ich Ihnen erweise. Wir wissen jetzt genug übereinander, um quitt zu sein.
    Um

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