Die Satanischen Verse
sich über alles hinwegsetzte, was ihn sonst beherrschte: liebte, ohne in dieser Liebe den Anfang des Endes sehen zu wollen.
Kurz vor dem Höhepunkt wurde sie laut. »Jaah!« schrie sie, und die ganze Vornehmheit ihrer Stimme sammelte sich in den bedeutungslosen Silben ihrer Lust. »Aaahh! Hhmmmh! Ha!«
Sie trank noch immer übermäßig Scotch Bourbon Rye, und mitten in ihrem Gesicht breitete sich ein roter Streifen aus.
Unter Alkoholeinfluss wurde das rechte Auge halb so groß wie das linke, und zu seinem Entsetzen begann sie, ihn dann anzuwidern. Über ihre Trunksucht durfte jedoch nicht gesprochen werden: das eine Mal, als er es versuchte, fand er sich auf der Straße wieder, i n der rechten Hand seine Schuhe und den Mantel über dem linken Arm. Doch selbst danach kam er zurück, und sie öffnete ihm die Tür und ging sofort nach oben, als ob nichts geschehen wäre. Pamelas Tabus: Witze über ihre Herkunft, Anspielungen auf die Batterien leerer Flaschen und jegliche Andeutung, dass ihr verstorbener Mann, der Schauspieler Saladin Chamcha, noch am Leben war und sich in derselben Stadt, in einer billigen Pension aufhielt, in Gestalt eines übernatürlichen Monsters.
Jumpy, der sie anfangs wegen Saladin ständig genervt, sie gedrängt hatte, sie solle sich von ihm scheiden lassen, dieses Witwe-Spielen sei unerträglich - wie steht der Mann denn finanziell da, ist er Miteigentümer des Hauses und so weiter, sie würde ihn doch bestimmt nicht mittellos dastehen lassen -, Jumpy protestierte inzwischen nicht mehr gegen ihr unvernünftiges Verhalten. »Ich habe eine amtliche Bestätigung, dass er tot ist«, sagte sie jenes eine Mal zu ihm, als sie überhaupt bereit war, sich zu diesem Thema zu äußern. »Und was hast du? Einen Ziegenbock, ein Zirkusmonster, hat nichts mit mir zu tun.« Und wie ihre Trinkerei, so hatte sich auch dies zwischen sie gestellt. Je mehr ihn diese Probleme belasteten, desto ungestümer wurde sein Sportunterricht.
Ironischerweise war Pamela, die sich strikt weigerte, der Wahrheit über ihren von ihr getrennt lebenden Mann ins Auge zu blicken, durch ihre Arbeit im Amt für multikulturelle Angelegenheiten in eine Untersuchung verwickelt worden, die Meldungen nachging, dass sich unter den Beamten des örtlichen Polizeireviers eine Neigung zu Hexerei ausbreite.
Einige Polizeireviere genossen tatsächlich den Ruf, von Zeit zu Zeit »außer Kontrolle zu geraten« - Notting Hill, Kentish Town, Islington -, aber Hexerei? Jumpy war skeptisch. »Dein Fehler ist«, hielt Pamela ihm in ihrer arrogantesten Tennisclub-Stimme vor, » dass du Normalität noch immer für etwas Normales hältst.
Mein Gott, schau dich doch nur um, was hierzulande los ist. Ein paar hirnrissige Bullen, die sich ausziehen und Urin aus ihren Helmen trinken, das ist gar nicht so verrückt. Nenn es proletarisches Freimaurertum, wenn du willst. Jeden Tag kommen total verängstigte S chwarze in mein Büro, reden von Obis, Hühnereingeweiden und allem Möglichen . Den Mistkerlen macht es auch noch Spaß. Jagen den Niggern mit ihrem eigenen Hokuspokus eine Wahnsinnsangst ein und machen sich obendrein noch ein paar wilde Nächte. Unwahrscheinlich?
Wach endlich auf!« Die Jagd auf Hexen lag anscheinend in der Familie: von Matthew Hopkins bis zu Pamela Lovelace. Aus Pamelas Stimme, der man bei öffentlichen Veranstaltungen, im Radio, ja sogar im Regionalprogramm des Fernsehens begegnete, war der ganze Eifer und die Autorität des alten Oberhexenjägers herauszuhören, und dass ihre Kampagne nicht sofort ausgelacht und eingestellt wurde, lag nur an der Stimme jener zeitgenössischen Gloriana. Neuer Besen gesucht, um alte Hexen auszutreiben. Von einer offiziellen Untersuchung war die Rede. Was Jumpy allerdings aufbrachte, war Pamelas Weigerung, eine Verbindung zwischen den okkultistischen Polizeibeamten und dem Fall ihres Ehemannes herzustellen: weil schließlich die Verwandlung Saladin Chamchas mit genau jener Vorstellung zu tun hatte, dass Normalität nicht mehr (wenn überhaupt je) aus banalen, normalen Elementen bestand. »Hat nichts damit zu tun«, sagte sie knapp, als er ansetzte, es ihr zu erklären: überheblich, dachte er, wie ein Blutrichter.
Nachdem Mishal Sufyan ihm von ihren ungesetzlichen sexuellen Beziehungen zu Hanif Johnson erzählt hatte, musste Jumpy, unterwegs zu Pamela Chamcha, eine Reihe bigotter Gedanken unterdrücken, wie etwa: wenn sein Vater kein Weißer gewesen wäre, hätte er es nie getan. Er war
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