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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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jetzt nicht imstande bist, eine lebendige Ayah von deiner verstorbenen Mutter zu unterscheiden.«
    Saladin wandte sich um und ließ den melancholischen Anblick seines Vaters auf sich wirken, der geschrumpft war wie ein alter Apfel, jedoch trotzdem darauf bestand, die teuren italienischen Anzüge aus seiner opulent korpulenten Zeit zu tragen. Nun, da er die Popeye-Unterarme und den P luto -Bauch verloren hatte, schien er in seiner Kleidung herumzuwandern wie jemand auf der Suche nach etwas, von dem er nicht genau wusste , was es war. Er stand auf der Schwelle und blickte auf seinen Sohn, Nase und Mund waren durch den Dörrzauber der Jahre zu einem schwachen Abklatsch seines früheren Monstergesichts geschrumpft. Kaum hatte Chamcha begonnen zu begreifen, dass sein Vater niemandem mehr Angst einjagen konnte, dass sein Bann gebrochen war und er nur noch ein alter Kauz mit einem Fuß im Grab war, und während Zeeny enttäuscht feststellte , dass Changez Chamchawalas Haar konservativ kurz geschnitten war, und dass auch die Geschichte mit dem fast dreißig Zentimeter langen Zehennagel wahrscheinlich nicht stimmte, da er blankpolierte, geschnürte Halbschuhe trug, als die Ayah Kasturba wiederkam, eine Zigarette rauchend, und an den dreien vorbeischlenderte, Vater Sohn, Geliebte, zu einem blauen, mit Velours bezogenem Polstersofa, auf dem sie ihren Körper sinnlich wie ein Filmstarlet drapierte, obwohl sie eine Frau in weit fortgeschrittenem Alter war.
    Kaum hatte Kasturba ihren schockierenden Einzug beendet, da hopste Changez an seinem Sohn vorbei und ließ sich neben der einstigen Ayah nieder. Zeeny Vakil, deren Augen skandalselig funkelten, zischte Chamcha zu: »Mach den Mund zu, Liebster, du siehst aus wie ein Idiot.« Und in der Tür stand der Diener Vallabh mit einem Getränkewagen und beobachtete ungerührt, wie sein langjähriger Arbeitgeber einen Arm um seine fügsame Frau legte.
    Wenn der Erzeuger, der Schöpfer sich als Satan entpuppt, reagiert das Kind häufig kleinlich. Chamcha hörte sich selber fragen: »Und meine Stiefmutter, lieber Vater? Geht es ihr gut?«
    Der alte Mann wandte sich an Zeeny: »Bei Ihnen ist er hoffentlich kein solcher Tugendbold. Sonst stehen Ihnen trübselige Zeiten bevor.« Dann an seinen Sohn, in strengerem Ton: »Seit wann interessierst du dich für meine Frau? Sie interessiert sich jedenfalls nicht für dich. Sie will dich nicht kennenlernen. Warum sollte sie dir verzeihen? Du bist nicht ihr Sohn. Und vielleicht auch nicht mehr meiner.«
    Ich bin nicht gekommen, um gegen ihn zu kämpfen. Dieser alte Bock. Ich darf nicht kämpfen. Aber das, das ist unerträglich.
    »Im Haus meiner Mutter«, rief Chamcha melodramatisch und verlor den Kampf gegen sich selbst. »Der Staat hält deine Geschäfte für korrupt, und hier haben wir die Korruptheit deiner Seele. Was hast du ihnen angetan? Vallabh und Kasturba. Mit deinem Geld. Wie viel hat es gekostet? Ihr Leben zu vergiften.
    Du bist ein kranker Mann.« Er stand vor seinem Vater, schäumend vor gerechtem Zorn.
    Vallabh, der Diener, trat unerwartet dazwischen. »Baba, bei allem Respekt, entschuldigen Sie, aber was wissen Sie schon?
    Sie waren fort und jetzt kommen Sie, um uns zu richten.«
    Saladin spürte, wie ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wurde; vor seinen Augen spielte sich das Inferno ab. »Es stimmt, dass er uns bezahlt«, fuhr Vallabh fort. »Für unsere Arbeit, und auch für das, was Sie sehen. Dafür.«
    Changez Chamchawala verstärkte seinen Griff um die nachgiebigen Schultern der Ayah.
    » Wie viel ?« schrie Chamcha. »Vallabh, worauf habt ihr zwei Männer euch geeinigt? Um aus deiner Frau eine Hure zu machen.«
    »Was für ein Idiot«, sagte Kasturba verächtlich. »In England erzogen und was noch alles, und trotzdem nichts als Stroh im Kopf. Du kommst und machst große Sprüche, im Haus deiner Mutter und so weiter, aber vielleicht hast du sie gar nicht so sehr geliebt. Wir haben sie geliebt, wir alle. Wir drei. Und so können wir vielleicht ihre Seele lebendig erhalten.«
    »Es ist Pooja, könnte man sagen«, ließ sich Vallabh mit leiser Stimme vernehmen. »Ein Akt der Verehrung.«
    »Und du«, sagte Changez Chamchawala so leise wie sein Diener, »du kommst hierher in diesen Tempel. Mit deiner Ungläubigkeit. Mein Lieber, du hast Nerven.«
    Und zu guter Letzt der Verrat von Zeeny Vakil. »Hör doch auf damit, Salad«, sagte sie, ging zum Sofa und setzte sich auf die Lehne neben den alten Mann. »Warum bist du so ein

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