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Die Satanischen Verse

Die Satanischen Verse

Titel: Die Satanischen Verse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Salman Rushdie
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Himmel zu stinken; Dschungel-und Bauernhofsgerüche vermischten sich mit dem kräftigen Aroma exotischer Gewürze, die in geklärter Butter brutzelten - Koriander, Kurkuma, Zimt, Kardamom, Gewürznelken. »Das geht zu weit «, dachte er entschlossen. »Höchste Zeit, ein paar Dinge zu klären.« Er schwang die Beine aus dem Bett, versuchte aufzustehen und fiel prompt auf den Boden, denn er war an seine neuen Beine überhaupt nicht gewöhnt. Er brauchte etwa eine Stunde, um diese Hürde zu überwinden, um gehen zu lernen, indem er sich am Bett festhielt und darum herum humpelte, bis sein Zutrauen wuchs. Und als er sich schließlich nicht mehr wackelig fühlte, machte er sich auf den Weg zum nächsten Wandschirm; woraufhin, breit lächelnd wie die Katze aus Alice im Wunderland, das Gesicht des Beamten Stein zwischen zwei Wandschirmen zu seiner Linken erschien, gefolgt vom Rest des Burschen, der die Schirme verdächtig schnell hinter sich zusammenschob.
    »Na, wie geht’s?« fragte Stein, unverwandt lächelnd.
    »Wann kann ich mit dem Arzt sprechen? Wann kann ich zur Toilette gehen? Wann werde ich entlassen?« fragte Chamcha schnell. Stein antwortete i n der gleichen Reihenfolge: der Doktor würde bald vorbeischauen; Schwester Phillips würde ihm eine Bettschüssel bringen, er würde entlassen werden, sobald er wieder gesund sei. »Verdammt anständig von Ihnen, sich diese Lungensache zu holen«, fügte Stein hinzu, mit der Dankbarkeit eines Autors, dessen Romanfigur unerwarteterweise ein heikles technisches Problem gelöst hat.
    »Macht die Geschichte viel überzeugender. Offenbar waren Sie so krank, dass Sie vor unseren Augen in Ohnmacht gefallen sind. Neun von uns erinnern sich sehr gut daran. Danke.«
    Chamcha suchte vergeblich nach Worten. »Und noch etwas«, fuhr Stein fort, »das alte Fräulein, Mrs. Diamond. Wie wir erfahren haben, liegt sie tot im Bett, mausetot, und der andere Gentleman ist verschwunden. Ein Verbrechen kann beim derzeitigen Stand der Ermittlungen nicht ausgeschlossen werden.«
    »Und zu guter Letzt«, sagte er, bevor er endgültig aus Saladins neuem Leben verschwand, »rate ich Ihnen, keine Zeit auf eine Beschwerde zu verschwenden. ‘Tschuldigen Sie, dass ich so offen mit Ihnen spreche, aber mit Ihren kleinen Hörnchen und ihren riesigen Hufen sehen Sie nicht gerade wie ein besonders vertrauenswürdiger Zeuge aus. Also dann, einen schönen Tag noch.«
    Saladin Chamcha schloss die Augen, und als er sie wieder aufschlug, hatte sich sein Peiniger in die Schwester und Krankengymnastin Hyacinth Phillips verwandelt.
    »Warum wollten Sie herumspazieren?« fragte sie. »Was immer Ihr Herz begehrt, fragen Sie einfach mich, Hyacinth, und wir werden sehen, was sich machen lässt .«
     
    »Psst.«
    In dieser Nacht, im grünlichen Licht der mysteriösen Institution, wurde Saladin von einem Zischen wie aus einem indischen Basar geweckt.
    »Psst. Hallo, Beelzebub. Wachen Sie auf.«
    Doch was da vor ihm stand, war ein so abartiges Geschöpf, dass Chamcha den Kopf unter die Decke stecken wollte; aber nicht konnte, denn war er nicht selbst…? »Ganz recht«, sagte das Wesen. »Wie Sie sehen, sind Sie nicht allein.«
    Es hatte einen ganz und gar menschlichen Körper, doch sein Kopf war der eines wilden Tigers, mit drei Reihen Zähnen.
    »Nachts dösen die Wärter oft«, erklärte das Wesen. »Dadurch haben wir Gelegenheit zum Reden.«
    Genau in diesem Moment erscholl lautes Jammern aus einem der anderen Betten - jedes Bett war, wie Chamcha mittlerweile wusste , von einem Sichtschutz aus Wandschirmen umgeben -: »Oh, wenn je ein Leib gelitten hat!« und der Mann-Tiger oder Mantikor, wie er sich selbst nannte, stieß ein wütendes Knurren aus. »Das ist Moaner Lisa«, rief er. »Dabei haben die nichts weiter getan, als ihn zu blenden.«
    »Was hat wer getan?« Chamcha war verwirrt.
    »Die Frage ist«, fuhr der Mantikor fort, »ob Sie sich damit abfinden wollen?«
    Saladin Chamcha war noch immer verwirrt. Der andere schien anzudeuten, dass irgendwer die Schuld an diesen Mutationen trug - aber wer? Und wie konnte das sein? »Ich wüsste nicht«, wagte er einzuwenden, »wer daran Schuld haben könnte…«
    Der Mantikor knirschte, offensichtlich frustriert, mit seinen drei Reihen Zähnen. »Da drüben liegt eine Frau«, sagte er,
    »die mittlerweile zum größten Teil Wasserbüffel ist. Dann die Geschäftsleute aus Nigeria, denen kräftige Affenschwänze gewachsen sind. Und die Gruppe von Urlaubern aus dem

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