Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche
Hause und fragte, was ein Tatare sei. Sie musste ein Referat darüber schreiben.
»Wer verlangt denn so was?« wunderte ich mich.
»Der Lehrer«, sagte Aminat. Alle in der Klasse mussten ein Referat darüber schreiben, wo ihre Familien herkamen. Ich hielt das für eine dumme Aufgabe: Warum mussten sich die Kinder mit Dingen beschäftigen, die für sie keine Rolle mehr spielten.
»Schreib, dass du eine Urenkelin von Dschingis Khan bist«, sagte ich Aminat, um sie aufzumuntern.
»Von wem?« fragte Aminat.
Ich versuchte, ihr Dinge zu erklären. Allerdings musste ich feststellen, dass ich mich an vieles nicht mehr erinnerte. Das war wahrscheinlich Kalganows Einfluss. Er wollte nie mit so etwas zu tun haben, und jetzt musste es Aminat ausbaden. Ich wusste nicht viel über meine Familie, weil meine Eltern so früh gestorben waren und mein Bruder dann auch. Ich hatte meine Großmutter Aminat aus den Bergen nie gesehen. Im Kinderheim und in der Schule war das auch nie Thema gewesen. Ich hatte immer Besseres zu tun, ich hatte perfekt Russisch gesprochen und viel gearbeitet, ich hatte immer unter Russen gelebt, und Aminats Fragen ärgerten mich jetzt.
Sie sah mich aus zusammengekniffenen Augen an und ging zu Dieter. Der holte irgendwelche Bücher hervor und dicke, vollgekritzelte Hefte. Ich zuckte mit den Schultern und machte zur Abwechslung mal den Herd sauber.
Abends, als Aminat schon im Bett lag, holte ich ihren Ordner aus dem Rucksack und las durch, was sie sich aufgeschrieben hatte. Es waren fünf Seiten.
Ich verstand kein Wort.
Ich hatte jetzt viele Einblicke. Ich sprach immer besser Deutsch, weil ich inzwischen so viele Menschen kannte.Ich putzte bei so vielen wichtigen Leuten, dass ich kaum Zeit hatte, bei uns zu Hause sauber zu machen. Zu Hause machte Dieter sauber. Er sagte, er könne sich mich nicht leisten. Das war ein Scherz.
Ich beobachtete die Frauen, deren Betten ich ausschüttelte und deren Toiletten ich sauber machte, und ich beobachtete natürlich auch deren Männer. Überhaupt wusste ich sehr viel über diese Menschen: wer zuckerkrank war und wer was an der Schilddrüse hatte, wer fremdging und welche Frau die Pille nahm.
Manches Haus gefiel mir so gut, dass ich dann die dazugehörige Frau ansah und überlegte, ob Sulfia sie ersetzen könnte. Allerdings sahen selbst deutsche Frauen besser aus als Sulfia.
Deutsche Männer mochte ich, weil sie groß und hell und oft außer Haus waren, alle außer Dieter. Türken mochte ich nicht, sie erinnerten mich an Kalganow, und Polen noch weniger, aus dem gleichen Grund. Aber deutsche Männer sah ich mir gern an. Aber seit Dieter wusste ich auch von der Gefahr, sich etwas schönzureden, nur weil es ungewohnt war.
Einmal putzte ich eine Küche, und mein Arbeitgeber, ein Fahrlehrer mit abstehenden blonden Haaren, kam herein. Ich merkte es daran, dass er mir einen Klaps auf den Hintern gab. Ich hatte meistens mit seiner Frau zu tun, die aber gerade schwanger war. Jetzt lag sie im Krankenhaus, weil ihr eine Fehlgeburt drohte, und der Fahrlehrer stand vor mir und grinste mich an.
Ich besah ihn mir von Kopf bis Fuß. Er roch ein wenig nach Bier, was aber einem Mann nicht schadete, fand ich. Ich drohte ihm spielerisch mit dem Zeigefinger und drehte ihm wieder den Rücken zu. Ich spürteseinen Atem an meinem Ohr, während seine Hand in meine Bluse rutschte.
Ich hatte lange keinen Mann gehabt, und dieser da war ziemlich männlich. Vielleicht sogar zu sehr. Seine Frau tat mir leid. Zur Abwechslung war das ja mal schön. Aber auf die Dauer würde da jede wund werden. Ich machte mir Sorgen um den Saum meines Seidenkleides. Ich hatte meinen Overall gerade in der Wäsche, und ich trug beim Putzen dieses Kleid, dazu eine hautfarbene Nylonstrumpfhose und Pumps. Das mit der Strumpfhose hatte er offenbar nicht verstanden. Jedenfalls konnte ich sie danach wegwerfen, daran dachte ich die ganze Zeit.
Als ich mich wieder umdrehte, verließ er gerade die Küche.
Ich ging ins Bad und brachte mich in Ordnung. Ich warf die Strumpfhose und die Unterwäsche in den Restmüllbehälter unter dem Waschbecken, nahm die volle Plastiktüte raus und knotete sie zusammen, um sie auf dem Heimweg zu entsorgen. Ich nutzte das vorhandene Bidet, das ich gerade blank gescheuert hatte – es gefiel mir nicht, nach diesem Mann zu riechen. Ich hatte eine zweite Strumpfhose in meiner Handtasche, aber keine zweite Unterhose, also blieb ich, wie ich war. Ich rieb den Saum meines Kleides mit einem
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