Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche
Handtuch trocken. Danach ging ich in die Küche und machte weiter, wo ich aufgehört hatte.
Später beendete ich meine Arbeit, hängte die Schürze in den Küchenschrank und sah mich um. Ich hatte das Geld immer in einem mit meinem Namen beschrifteten Umschlag auf dem Tisch gefunden, aber jetzt war die Frau im Krankenhaus, und es war kein Umschlag da.
»Hallo!« rief ich durch das Haus. »Hallo, Herr!«
Ich fand ihn im Schlafzimmer. Der Fahrlehrer lag mit Schuhen auf dem Bett, das ich frisch bezogen hatte, und las in einer Zeitschrift. Sein ganzes Gesicht drückte Missbilligung darüber aus, dass ich mich nicht in Luft aufgelöst hatte.
»Was?« fragte er.
»Ich brauche mein Geld«, sagte ich.
Ich lehnte mich gegen den Türrahmen und sah zu, wie er sich aufrappelte, seine Brieftasche suchte, sie schließlich in der Jacke fand, die er auf den Boden geworfen hatte.
»Wie viel war das noch mal?« fragte er, ohne mich anzusehen.
»Vierhundert Mark«, sagte ich ruhig.
Er ließ die Geldbörse fallen, fing sie aber noch in der Luft auf. Ich wusste, dass das Haus seiner Frau gehörte, weil ich auch in ihrem Arbeitszimmer und auf ihrem Schreibtisch sauber machte und ihre Unterlagen stapelte.
Er fand einen Zwanziger und gab ihn mir.
»Fünfhundert«, sagte ich. Wir sahen uns in die Augen. Ich wandte mich niemals als Erste ab. Er gab mir vier Hundertmarkscheine. Ich wartete. Er gab mir noch einen Fünfziger, drei Zehnmarkscheine. Ich wartete. Er holte das Münzgeld aus den Taschen hervor. Als er alles beisammenhatte, schob er es mir in die Hände und verließ fluchtartig das Schlafzimmer.
Das, dachte ich, wäre also erledigt.
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Eiserne Jungfrau
Aminat und Sulfia schrieben sich Briefe. Sulfia schrieb eher kurz. Sie begann ihre Briefe immer mit den Worten: »Mein geliebtes Töchterchen, liebe Mama und Dieter«. Dann schrieb sie, wie es Kalganow ging: »Immer ein bisschen besser.« Sie schrieb, sie sei in Gedanken oft bei uns und fühle mit, weil wir so allein in der Fremde seien. Ich blieb an den Stellen hängen, an denen es um die Lebensmittelpreise ging, und den Rest überflog ich nur.
Aminats Briefe las ich dagegen umso gründlicher.
Es war praktisch, dass sie die Briefe mir geben musste, weil ich die Hoheit über Umschläge und Briefmarken hatte. Deswegen wusste ich immer, was Aminat schrieb. Es war meist uninteressant. Sie schrieb über ihre Schule, den Stundenplan, die einzelnen Fächer und den Stoff, der im Unterricht durchgenommen wurde. Ich suchte Stellen, in welchen sie mich oder Dieter erwähnte: »Oma arbeitet viel und ist oft nicht da. Uns geht es gut. Ich küsse dich, deine Tochter Aminat.«
Einmal blieb Aminat morgens zu Hause und sagte, es gehe ihr nicht gut. Ich hatte keine Zeit, weil ich zu meiner Arbeit musste. Ich fühlte ihre Stirn, die kühl war, und kam zum Schluss, so krank konnte sie nicht sein. Ich sagte Dieter, er soll ihr einen Kamillentee machen, und ging weg.
Als ich abends nach Hause kam, lag Aminat schon wieder im Bett. Dieter sagte, sie sei heute schweigsam gewesen. Ab und zu sei sie aufgestanden, doch dann hätte sie sich wieder hingelegt. Den Tee hätte sie nicht getrunken. Dafür hätte sie schon wieder einenBrief geschrieben an Sulfia, der ziemlich kurz war und mit den Worten endete: »Ich schreib dir mehr, sobald mir der Bauch nicht mehr so schrecklich wehtut.«
Ich ging ins Zimmer und schaute nach Aminat. Sie lag zusammengekrümmt auf der Seite und war wach, obwohl es schon spät war. Als ich ihre Stirn berührte, war sie immer noch kalt und feucht.
»Geht’s besser?« fragte ich.
»Weiß nicht«, sagte Aminat.
Ich sagte ihr, sie solle schlafen. Man schläft sich gesund.
Am Morgen konnte Aminat nicht aufstehen. Ich sagte Dieter, sie bleibt noch einen Tag im Bett. Während ich im Bad war, rief Dieter den Krankenwagen. Als ich angezogen und frisiert aus dem Bad kam, drückte gerade ein Notarzt auf Aminats Bauch herum. Ihre Beine fuhren hoch, und sie schrie auf. Ich verstand, dass das deutsche Wort Blinddarmentzündung , von der gerade alle sprachen, eine banale Appendizitis war. Inzwischen hatte Aminat Fieber. Ich musste trotzdem zur Arbeit. Zudem konnte ich Aminat ja nicht selber operieren.
»Ich komme mit«, sagte Dieter, dessen Hände zitterten.
»Ruhig, ruhig«, sagte ich. »Wir sind doch in Deutschland. Hier kann einem nichts passieren.«
Dieter sah mich an, als wäre ich irre. Er sah mich oft so an.
Nach der Arbeit fuhr ich sofort in die Kinderklinik.
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