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Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche

Titel: Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alina Bronsky
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einen Overall geschenkt, in den sie nicht mehr reinpasste, und eine rote Skijacke für Aminat. Ich kaufte Sonnenbrillen und zwei Paar Hosen, und schon waren wir ausgestattet. Wir fuhren mit dem Zug, mussten umsteigen in Basel und in Chur. In Chur sah ich die Berge, sehr hoch, grau, mit weiß bedecktenSpitzen. Wir stiegen in einen Bus, der eine Serpentine hochfuhr. Wir saßen direkt hinter dem Fahrer, das war der Platz mit den höchsten Überlebenschancen, wenn der Bus den Abgrund hinunterstürzen sollte.
    Aminat war ganz grün unter ihren Pickeln, sie vertrug Bus- und Autofahrten schlecht. Sie hatte zu viel von ihrer Mutter Sulfia. Wir fuhren durch Wälder, Schneeverwehungen und kleine beleuchtete Dörfer. Als der Bus im vorletzten Dorf hielt und wir ausstiegen, übergab sich Aminat in den Schnee. Dankenswerterweise war sie damit fertig, bevor meine Kundin auftauchte, um uns zur Ferienwohnung zu bringen.
    Ich hatte schon vergessen, wie so viel Schnee auf einmal aussah. Er glitzerte und duftete nach Wassermelone, wie in meiner Kindheit.
    In der Ferienwohnung gab es zwei Schlafzimmer: eines mit einem Doppelbett für die Kundin und ihren Mann, einen Oberstaatsanwalt, und eines mit zwei Stockbetten. In den oberen Betten schliefen die Kinder, Julius und Justus, und unten schliefen Aminat und ich.
    Meine Kundin war froh, dass ich da war. Sie hatte ihre Kinder nicht im Griff. Am Morgen gingen Julius und Justus zum Skikurs. Der Oberstaatsanwalt stülpte den Kindern Helme auf den Kopf, steckte ihre Füße in Skischuhe und zog sie am Skistock zum kleinen Iglu, wo noch mehr Bälger auf winzigen Skiern standen.
    Es gehörte zu meinen Aufgaben, Julius nach drei Stunden wieder abzuholen, Mittagessen zu kochen und ihn schlafen zu legen. Seinen älteren Bruder holten wir später zusammen ab. Nach dem Mittagsschlaf setzte ich Julius auf den Schlitten und fuhr ihn herum. Wir gingen zum Skilift und schauten zu, wie andere Menschen den Hang herunterrauschten. Ich konnte mich daran nicht sattsehen. Ich begriff, dass das mit Langlauf wenig zu tun hatte. Sie sahen alle so schön und so geschickt aus. Vor diesemHintergrund störte mich plötzlich Aminats Anblick. Ihr Gesichtsausdruck verdarb mir den Aufenthalt und meiner Kundin sicher auch. Ich sagte Aminat, sie soll ein anderes Gesicht machen.
    Am ersten Abend kochte ich Gulasch mit Spätzle. Meine Kundin und ihr Oberstaatsanwalt saßen da mit roten Wangen, und selbst die Kinder waren zu müde zum Quengeln. Satte Zufriedenheit hing in der Luft.
    »Sie sind ein Goldstück«, sagte mir meine Kundin.
    »Ich weiß«, sagte ich. Jetzt fehlte mir nur noch eines: Ski fahren.
    Ich stand am Morgen als Erste auf, kochte Kaffee, toastete Brotscheiben und deckte den Tisch. Die Kinder ließen sich sehr schwer wecken. Sie schliefen fest und waren noch müde, mussten aber zum Skikurs. Ich erledigte meine Aufgaben dennoch immer tadellos: Als die Eltern aus dem Schlafzimmer kamen, saß ich mit den Jungen und Aminat am Tisch.
    »Können Sie eigentlich Ski fahren?« fragte mich meine Kundin.
    »Ich werde sehr schnell lernen«, sagte ich in meinem tadellosen Deutsch. »Und Aminat hier auch.«
    Ich hatte sie um nichts gebeten. Sie machten von alleine einen Termin in der Skischule aus. Wir liehen uns Skier aus und trafen uns mit unserem Skilehrer am Lift. In der Jackentasche hatte ich das Handy des Oberstaatsanwalts. Wenn die Kinder sich was brechen sollten, würde man mich anrufen und nicht die Eltern.
    Mir war längst aufgefallen, dass die Männer hier sehr gut aussahen, alle sehr gesund. Es waren Männer, die nicht im Büro rumsaßen, sondern viel Sport an der frischen Luft trieben: nicht sehr groß, drahtig, mit schwarzen Locken und blauen Augen. Unser Skilehrer hieß Corsin und führte uns an einen Kinderhang und zeigte uns, wie wir fahren sollten. Bei mir klappte es sofort.
    »Du hast Talent«, sagte Corsin zu mir. Ich fand ihn charmant. Er duzte mich, was ich normalerweise nicht mochte. Wahrscheinlich begriff er nicht, dass ich viel älter war als er.
    Ich schämte mich für Aminat. Hier konnten alle Mädchen in ihrem Alter sehr gut fahren. Sie sahen gut aus, und Aminat war eine tollpatschige Anfängerin, deren Grobmotorik sofort ins Auge sprang. Sie hatte keine so gute Körperhaltung wie ich.
    Meine Kundin war bereit, uns drei Vormittage Privatunterricht zu bezahlen. Danach wollte ich fahren können wie alle anderen.
    An unserem letzten Vormittag nahm uns Corsin zum ersten Mal mit dem Skilift auf den

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