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Die Schatten der Vergangenheit

Die Schatten der Vergangenheit

Titel: Die Schatten der Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corrine Jackson
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wir nach Pacifica, und ich sog an Wissen über die Heilerinnen auf, was nur ging. Asher hatte mir ans Herz gelegt, meine Mauern die ganze Zeit über oben zu behalten, und nach jenem ersten Tag musste ich ihm recht geben. Ich würde es mir nie verzeihen, wenn ich einem von ihnen etwas zuleide tat. Sicherheitshalber vermied ich alle versehentlichen Berührungen und drückte mich auch davor, den anderen die Hand zu schütteln. Lieber hielt man mich für unhöflich, als dass es noch einmal zu so einem Vorfall wie mit Erin kam.
    An den Abenden schlich ich mich davon und telefonierte mit meiner Familie. Meinem Großvater erzählte ich, ich würde meine Freunde in Brooklyn anrufen, und wenn Ben bat, mit meinem Großvater sprechen zu dürfen, erklärte ich ihm, dass er gerade unterwegs sei. Ich log meinen Großvater über meine Familie in Blackwell Falls an, und ich log meine Familie darüber an, wie ich die Zeit mit meinemGroßvater verbrachte. Jemand hätte mir eine Schärpe geben können, auf der in Großbuchstaben stand: GRÖSSTE SCHWINDLERIN DER WELT. Lucy hätte sich garantiert sofort bereit erklärt, sie zu nähen. Sie mied mich, als hätte ich Windpocken. Neuigkeiten über sie erfuhr ich nur von Laura und Brandon. Gabriel dagegen hatte angefangen, mir herrische SMS-Texte zu schicken. Ich konnte seinen arroganten Tonfall förmlich hören, wenn ich las: PASS AUF MEINEN BRUDER AUF! oder DENK AN DEIN TRAINING! Normalerweise reagierte ich gar nicht darauf oder schickte ihm ein LECK MICH! zurück.
    Die einzige Person, der ich keine Lügen auftischte, war Asher. Alle paar Abende verbrachten wir ein paar gestohlene Augenblicke miteinander, wenn ich mich aus dem Haus schleichen konnte. Wir befürchteten, mein Großvater könnte misstrauisch werden, wenn wir uns öfter träfen. Außerdem hatte Asher seit unserem ersten Abend im Wald mehr Zeit mit erhitztem, verlegenem Schweigen verbracht als mit Reden. Wenn wir uns überhaupt über etwas unterhielten, dann darüber, was ich über die anderen Heilerinnen in Pacifica in Erfahrung gebracht hatte.
    Ein paar Wochen nach meiner Ankunft ließ mich mein Großvater bei Erin zurück, während er Besorgungen machte. Alcais und Delia hatten sich irgendwohin verkrümelt, sodass ich eine Zeit lang mit Erin allein sein konnte. Wieder einmal spazierten wir zum Strand und machten unterwegs in einem kleinen Café Halt, um eine heiße Schokolade für sie und einen Mokka für mich zu kaufen.
    Ich fuhr mit einem Finger durch die Schlagsahne und rümpfte die Nase. »Im Juli heißen Kaffee zu trinken, da läuft irgendwas falsch. Eigentlich müsste es so heiß sein, dass wir mit den Schuhen im geschmolzenen Asphalt einsinken.«
    Erin lächelte. »So ist das hier in der Gegend nun mal. Da kommt der Sommer nicht vor September. Wirklich schade, dass du dann nicht mehr da bist. Franc sagte, du wohnst bei Freunden in Brooklyn?«
    »Ja«, log ich. »Seit dem Tod meiner Mutter.«
    »Das tut mir leid«, erwiderte sie ohne viele Worte.
    Ich nickte und trank von meinem Mokka. »Kann ich dich was fragen? Wie fühlt sich das an, wenn du jemanden heilst?«
    Sie legte den Kopf schief, und ihr Haar ergoss sich über ihre Schulter. »Weißt du das denn nicht? Du hast damit doch schon deine eigenen Erfahrungen gemacht!«
    »Dann ist es also für jeden gleich?«
    Sie blies auf ihren Kakao. »Klar. Wieso auch nicht? Jemand ist verletzt oder krank. Wir sammeln unsere Energie und berühren diese Person, um sie zu heilen. Ein paar Funken sprühen, und das war’s auch schon. Nichts weiter dran«, meinte sie gelassen.
    »Wird dir danach nie kalt?«
    Asher sagte, ich sähe danach aus, als litte ich an Unterkühlung, vor allem nach Heilungen, die viel Energie erforderten. Meine Lippen verfärbten sich blau, und ich bekam Schüttelfrost, bis ich mich wieder aufwärmen konnte. Soweit ich das mitbekommen hatte, hatte Delia nichts dergleichen aufzuweisen.
    Erin strich sich das Haar hinters Ohr und sah mich neugierig an. »Nö, dir?«
    Ich zuckte die Achseln und schwieg. Ich dachte an die Verschiedenheit unserer Mütter. Erin sprach mit solcher Sorglosigkeit über ihre Heilkräfte. Von klein auf waren diese ganz selbstverständlich ein Teil von ihr gewesen und nichts, das man hassen oder fürchten musste. Ihre Mutter war das Gegenteil von meiner gewesen.
    »Du hast Glück, Erin. Dass du all die Leute um dich herum hast, die dir alles beibringen. Das hatte ich nicht.«
    Wir erreichten die Strandmauer, und sie hielt mein Getränk,

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