Die Schatten des Mars
Eindringen nicht übelnehmen. Ich hätte Sie gern gesprochen.«
Der Mann antwortete nicht sofort, und Miriam fühlte sich zunehmend unbehaglicher unter dem prüfenden Blick seiner wasserhellen Augen, die keinerlei Gemütsregung verrieten.
»Sie müssen sich nicht entschuldigen, Mrs. Green«, sagte er schließlich, wobei er vor ihrem Namen eine winzige Pause machte. »Ich fürchte nur, daß Sie sich den weiten Weg umsonst gemacht haben ...«
»Ich möchte Sie nicht lange aufhalten«, beeilte sich Miriam zu versichern. »Es würde mir schon genügen, wenn Sie mich ein paar Minuten lang anhören.«
»Also gut«, erwiderte Borodin nach kurzem Zögern. »Kommen Sie. Ich koche uns eine Tasse Tee.«
Er ging voran und hielt die schwere Stahltür auf, die mit ihren Dichtungsbelägen ein wenig an eine Schiffsluke erinnerte. Mit einem dumpfen Geräusch fiel sie hinter ihnen ins Schloß. Gemessen an der Pracht des Pavillons erschien der Raum ausgesprochen spartanisch eingerichtet. Das einzige schmückende Element war ein Kamin mit einer Handvoll Sonnensteine als Feuer-Imitation. Daneben gab es einen Schreibtisch, auf dem inmitten von Bücherstapeln ein einfaches Schachbrett mit Holzfiguren stand, ein paar Bücherborde sowie eine Sitzecke mit Holztisch und zwei Klappsesseln.
Mit einer Armbewegung lud der Hausherr Miriam zum Setzen ein.
»Sie können die Maske ruhig abnehmen, Mrs. Green. Dieses Haus ist ein Standard-Modell mit der üblichen Ausstattung an Aggregaten. Ich bin gleich zurück.«
Er verschwand durch einen Holzperlenvorhang in einem Nachbarraum und kehrte Minuten später mit einem Tablett, Teegeschirr und einem kleinen silbernen Samowar zurück.
»Kitschiges Ding«, bemerkte er entschuldigend, während die goldbraune Flüssigkeit in die Gläser floß. »Die richtigen funktionieren mit Holzkohle und sind viel größer. Der hier ist ein Geschenk. Wahrscheinlich habe ich ihn deshalb noch nicht weggeworfen ...«
Im Gegenteil, Mr. Borodin, dachte Miriam seltsam berührt. Sie haben das kitschige Ding sogar mit auf den Mars g e schleppt.
»Ein Geschenk, von wem?« fragte sie laut.
»Von einer Krankenschwester, die mir eine Freude machen wollte. So etwas tut besonders weh ...« Er brach ab und räusperte sich.
»Was ist denn daran so schlimm?« Miriam biß sich auf die Lippen, aber die Frage war schon heraus.
»Weil man in solchen Momenten glaubt, daß es vielleicht doch noch Hoffnung gibt«, erwiderte der Mann ruhig.
Es dauerte ein wenig, bis Miriam begriffen hatte, daß er nicht von sich und seinen Verletzungen sprach. Es gab nichts, was sie darauf hätte antworten können. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen herzukommen.
Zum Glück war es ihr Gastgeber selbst, der schließlich das Schweigen brach: »Aber deswegen sind Sie wohl kaum hier, Mrs. Green. Sie wollten mir etwas erzählen.« Wieder die winzige Pause vor ihrem Nachnamen, als wüßte er tatsächlich über sie Bescheid.
»Es wird Ihnen vielleicht merkwürdig vorkommen nach so vielen Jahren ...«, begann Miriam immer noch etwas verunsichert, aber da die befürchtete Unterbrechung ausblieb, sprach sie weiter, erzählte von ihrem Auftrag, dem mysteriösen Gegenspieler, der ihr immer einen Schritt voraus zu sein schien, und davon, wie sie ihm am Ende doch auf die Spur gekommen war – eine Spur, die nicht in den Mittleren Osten führte, sondern in den Südwesten der Vereinigten Staaten, direkt in das Firmen-Netzwerk von Laurentis Technologies, jenes Konzerns, der vor Jahren eine kybernetische Intelligenz namens »Mighty Joe« entwickelt hatte ...
»Ich weiß nicht, ob das alles überhaupt etwas mit dem Anschlag zu tun hatte«, schloß sie. »Aber ich bin dennoch der Auffassung, Sie sollten davon erfahren.«
Sie lauschte ihren Worten nach und fühlte sich ein wenig wie früher als Studentin nach einem Prüfungsvortrag.
Borodin lächelte. Es war kein ironisches Lächeln wie zuvor, sondern wirkte nachsichtig und ein wenig melancholisch.
»Danke, Mrs. Green«, sagte er dann so förmlich, als müsse er sie auf etwas Unangenehmes vorbereiten. »Ich weiß Ihre Aufrichtigkeit durchaus zu schätzen, aber haben Sie wirklich geglaubt, das sei mir neu?«
»Sie wußten, wer dafür verantwortlich war?« erkundigte sich Miriam überrascht.
»Wenn man monatelang ans Bett gefesselt ist, bliebt viel Zeit zum Nachdenken«, erwiderte Borodin trocken, »Und da Autos dieser Preisklasse nicht von selbst Feuer fangen, konnte es nur ein Anschlag gewesen sein.
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