Die Schatten schlafen nur
Cox hatte seine Sprache wieder gefunden.
»Ein Schlööfken, kennste dat nich’? Vor Gutheit nix wert!«
Van Appeldorn stöhnte. »Komm endlich zur Sache!«
Ackermann blinzelte schuldbewusst. »Ja, wat ich sagen wollt, also, ich steh da grad bei mir im Wohnzimmer auffe Leiter un’ bin am Verputzen. Habt er doch mitgekriegt, oder, dat ich mir Zwangsurlaub genommen hab? Alle elektrische Leitungen frott, im ganzen Haus, musste sofort wat gemacht werden. Waren alles bloß zweipolige Stoffkabel, aber wer guckt schon nach so wat, wenn einem so ’n Schnäppken quasi innen Schoß fällt? Damals. Un’ jetz’ steht man damit zu gucken! Gut, dat man ’n Bruder hat, der Elektriker is’. Kommt günstiger, wenn er versteht, wat ich mein.« Er kniff Toppe ein Auge.
»Teufel noch mal!«, brauste van Appeldorn auf.
»Is’ ja schon gut, Norbert. Immer noch sofort am Halsen? Dabei hatt’ ich gehört, du wärs’ so nett inner letzten Zeit. Also, wie gesacht, ich steh da auf meine Leiter un’ bin am Schlitzeputzen. Un’ damit et nich’ so langweilig is’, hab ich die Kiste am laufen. Ir’ndso ’n Magazin, ›Et brennt‹ oder ›Explodiert‹ oder so wat. Un’ jetz’ ratet ma’, wer da auffe Mattscheibe ganz elegant vor sich hintextet! Na? Nix?«
Van Appeldorn schlug beide Hände vors Gesicht.
»Die Chefin! In ihr schönstes Kostümchen. Hatte sich sogar die doppelreihige umgetan. Un’ wisst er, wat die gesacht hat? Nee? Dann passt ma’ auf, ich hab et mir nämlich genau gemerkt.« Ackermann spitzte die Lippen und flötete: »Nun, ungewöhnliche Fälle verlangen ungewöhnliche Maßnahmen. Man benötigt natürlich die entsprechende Erfahrung, um ein gut funktionierendes Ermittlungsteam zusammenzustellen. Aber wenn das einmal geschehen ist, befruchten sich die Mitarbeiter gegenseitig. Ganz besonders hervorheben möchte ich da meinen Hauptkommissar, ein wirklich brillanter Geist. Ich lege sehr viel Wert darauf, dass meine Mitarbeiter auch einmal querdenken. Wichtig ist dabei selbstverständlich, dass ich als Dienststellenleiterin einen kühlen Kopf bewahre.«
Ackermann machte eine Pause, die anderen sahen sich ungläubig an.
»Ich lüg nich’, echt nich’! Dat war wörtlich, oder wenigstens fast.« Dann kicherte er. »Ich würd ja gern ma’ zugucken, wie ihr euch gegenseitig befruchtet. Ba, wat ’n Augiasstall! Oder war dat wat anderes? Weiß ich nich’ mehr.«
Schon die ganze Zeit war sein Blick immer wieder zu der Philip-Morris-Schachtel gewandert, die auf Cox’ Schreibtisch lag. Nun hielt er es nicht mehr aus. »Affengeile Marke! Ich nehm mir ma’ eine, ja?« Natürlich wartete er keine Antwort ab, sondern puhlte eine Zigarette aus dem Päckchen und zündete sie an. »Lecker!«
»Warum genau sind Sie denn jetzt gekommen?«, fragte Toppe hastig.
»Mensch, dat liecht doch wohl auffe Hand, Chef. Der alte Drachen kann sich doch nich’ einfach dat ganze Lob an ihre teuren, blauen Revers pappen, wenn dat ei’ntlich Ihnen gehört. Ich kann so wat nich’ ab. Da muss man wat unternehmen, find ich.«
Toppe schmunzelte belustigt. »Und was?«
»Weiß ich nich’, aber mir fällt schon noch wat ein. Wat is’ dat da eigentlich, wollt ich schon die ganze Zeit fragen.« Ackermann nahm das kleine, silbern eingewickelte Päckchen in die Hand. »Seid ihr etwa auf eure alten Tage noch unter die Kiffer gegangen oder wie hab ich dat? Kann aber wohl nich’ sein, weil Kiffen macht ja bekanntlich blöd. Toblerone, boa! Ich glaub et nich!« Er stopfte sich die beiden Schokoladenstücke in den Mund. »Mann, die hab ich schon hundert Jahre nich’ mehr gegessen.«
Dann endlich bemerkte er die angespannte Stille. Er schluckte. »Äh, hab ich ma’ wieder wat falsch gemacht?«
»Schon in Ordnung«, sagte Cox, sammelte die Silberpapierschnipsel sorgfältig vom Boden auf und trug sie zum Papierkorb.
»Jetz’ hört doch ma’! Ich weiß doch, dat et heißt: Fettnapf, wo bist du? Ackermann kommt! Aber diesma’ seh ich et echt nich.«
»Das war Peters Schokolade«, sagte Astrid. »Und das sind auch seine Zigaretten.«
»Ja un’? Danke, Peter, sach ich da brav. Wat is’ denn, gibt der nich’ gern wat ab?«
Cox guckte verschlossen. »Wir müssen das nicht weiter vertiefen, oder?«
»Warum eigentlich nicht?«, meinte van Appeldorn. »Ich esse auch gern Schokolade.«
Toppe wälzte sich unruhig hin und her – schon Viertel nach drei. Astrid schlief drüben in ihrem Zimmer. Sie war schon um neun Uhr ins Bett
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