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Die Schatten schlafen nur

Die Schatten schlafen nur

Titel: Die Schatten schlafen nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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Schallplatten.
    Toppe blieb am Eingang stehen. Das blinde Fenster war eingerahmt von blauen Übergardinen aus schwerer Seide, die inzwischen völlig verstaubt waren, aber irgendwann einmal schön gewesen sein mussten. Unter dem Fenster stand eine Liege mit einem ziehharmonikaartigen hölzernen Untergestell, darauf lagen ein Kopfkissen und eine akkurat gefaltete blaue Steppdecke. Das Mahagonitischchen neben dem Kopfende der Pritsche war umgefallen.
    »Da haben wir einiges zu tun«, brummte Cox. »Guck mal unauffällig hoch zum Nachbarhaus. Ich nehme an, die Dame da am Fenster im ersten Stock ist Adelheid Tessel, oder?«
    »Wart einen Moment.« Toppe bahnte sich einen Weg durch das Gerümpel zum umgekippten Tisch. Eine Tiffanylampe lag da am Boden, der Schirm eingedrückt und gesprungen, daneben ein billig gebundenes Büchlein: Herz auf Taille – Kästner. Die Seiten waren aufgequollen. Toppe sah nach oben. Das Dach war dicht.
    »Die Tessel winkt«, rief Cox. »Was ist jetzt?«

    Adelheid Tessel kam aus Ostpreußen. Man ahnte es noch, wenn sie das ›R‹ rollte, ansonsten hatte sie die Sprache der Region angenommen. Sie war knapp vierzehn gewesen, als für sie in Nierswalde ein neues Leben begonnen hatte. Ihre Mutter war auf der Flucht an Typhus gestorben. »Wir konnten sie nicht einmal beerdigen, in einem Graben haben wir sie verscharrt.« Der Vater hatte im Dorf eine Kohlenhandlung aufgemacht. »Ich hab hier ja erst richtig angefangen zu leben. Vorher war nur Armut, Flucht und Angst. Will ich gar nicht mehr dran denken, tu ich auch nicht.«
    Die Natur hatte es nicht allzu gut mit ihr gemeint. Sie war klein, hatte dabei aber grobe Gelenke und einen leichten Buckel. Ihr grau meliertes Haar war sehr kurz geschnitten und ließ das Gesicht mit den vorstehenden Zähnen männlich wirken.
    Sie hatte anscheinend auf die Kripoleute gewartet. Kaffee war gekocht, im überheizten Wohnzimmer war der Tisch gedeckt: Sammeltassen auf einer gelbwollenen Decke, eine Schale mit einer billigen Gebäckmischung.
    Vier Vogelkäfige hingen in unterschiedlicher Höhe an der Wand, Kanarienvögel und Wellensittiche hüpften tschilpend darin herum, auf den schmalen Fensterbänken standen lackbesprühte Anthurien.
    »Nehmen Sie Platz, bitte … ich … O Herr und Vater, wenn Sie wüssten, was der Jakob mitgemacht hat, ich kann Ihnen was erzählen! Haben Sie ein Glück, dass Sie gerade zu mir kommen! Wir waren ja schon immer Nachbarn, der Jakob und ich, und nicht nur das.«
    »Entschuldigung«, unterbrach Cox sie, »aber ich kriege hier keine Luft.« Er schob zwei Blumentöpfe zusammen und öffnete das Fenster.
    »Was fällt Ihnen ein!« Die Tessel kam gelaufen. »Machen Sie das sofort wieder zu. Ich habe schweres Asthma!« Sie hechelte.
    »Also, Frau Tessel, es wird am einfachsten sein, wenn wir Ihnen der Reihe nach unsere Fragen stellen.« Toppe setzte sich.
    Sie hörte auf zu japsen und goss Kaffee ein. »Jakob und ich waren ungefähr ein Alter, wir haben schon als Kinder zusammengegluckt, auch wenn wir in verschiedenen Schulen waren. Jakob war ja so ein intelligenter Junge. Aber ich hätte auch das Gymnasium besuchen können, da hätte mein Grips zehnmal für gereicht. Waren eben andere Zeiten, für Mädchen kam die höhere Schule nicht in Frage. Mein Vater hat mich angelernt und ich hab ihm all die Jahre die Bücher gemacht. Wenigstens hat er immer gut für mich geklebt. Ich hab mein Auskommen, danke, ich muss nicht heimlich in der Sparkasse putzen gehen wie gewisse andere Leute, die die Nase Gott weiß wie hoch tragen.«
    Toppe brachte sie mit einem strengen Blick zum Schweigen. »Setzen Sie sich hin!« Das tat sie, allerdings nicht ohne sich eine kleine Gemeinheit in den Bart zu brummeln.
    »Jakob Opitz war Vollwaise«, begann Toppe.
    »Frorieps hatten ihn angenommen«, fiel sie ihm gleich wieder ins Wort. »Die haben den Jungen irgendwo auf der Flucht aufgelesen und später in Pflege genommen. Hatten ja keine eigenen Kinder, die zwei. Robert Froriep war damals Pastor hier im Dorf, am Anfang, meine ich. Er und seine Frau haben quasi das Gemeindeleben aufgebaut. Feine Leute! Wirklich ganz feine Menschen! Nicht so wie die meisten heutzutage.«
    »Opitz ist also zum Gymnasium gegangen. Wo?«
    »In Goch! Wo denn sonst? Und danach hat er studiert, in Bonn. Hat ein glänzendes Examen gemacht, der Jakob. Dann ist er zurückgekommen, 1957, und die Domröse, die Lene, die hat sich ihm schon direkt am ersten Tag an den Hals geworfen, blutjung, das

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