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Die Schatten schlafen nur

Die Schatten schlafen nur

Titel: Die Schatten schlafen nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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Biest, kann nicht mal siebzehn gewesen sein. Blutjung und willig, das wusste jeder. Schlecht ausgesehen hat sie ja nicht, so eine schwarze Zigeunerin, und auch schon sehr entwickelt. Der Jakob, der hätte schon aus Stein sein müssen. Ich meine, welcher Mann ist gegen so was gefeit? Keiner, sage ich Ihnen, keiner! Die Gemeinde hat das Techtelmechtel auch noch gutgeheißen. Besonders der alte Domröse hat das unterstützt. Ist ja auch logisch. Der dachte, der Jakob würde seiner Tochter die Flausen austreiben. 1960 habe die beiden geheiratet, aber ich schwöre Ihnen, diese Ehe war vom ersten Tag an die Hölle, wie sie im Buche steht. Jakob, der wollte ja immer Kinder haben, am liebsten einen ganzen Stall voll, aber die Lene, die wollte lieber tanzen gehen und sich hofieren lassen. Ein dicker Bauch, o Gott, der hätte ja die Wespentaille für immer ruiniert. Nee, die konnte keiner festbinden, der alte Domröse nicht und Jakob erst recht nicht, dazu war der viel zu gutmütig. Da hat er sich lieber in die Arbeit gestürzt. Dieses Offene-Tür-Jugendheim damals, das war seine Idee. Hat er ganz alleine aufgebaut. Stand ja derzeit in allen Zeitungen. Das Jugendheim, ja, das war sein Lebensinhalt.«
    »Hat seine Frau auch gearbeitet?«
    »Gearbeitet!« Adelheid Tessel gackerte. »Die hat mal im Geschäft ausgeholfen, aber das war es auch. Domröse hatte doch den Kolonialwarenladen, da, wo jetzt das Restaurant drin ist. Später hat die Lene den übernommen oder besser gesagt heruntergewirtschaftet, in den sicheren Ruin getrieben. Was wollte man auch erwarten von so einer?«
    »Leben die beiden Frorieps noch?«
    »Er wohl, habe ich gehört, muss schon an die neunzig sein, der Gute. Die sind 1961, kurz nach Jakobs Hochzeit, aus Nierswalde weggezogen. Robert Froriep hat im Norddeutschen eine Pastorenstelle angenommen und noch irgend so was Soziales. Jakob hat unheimlich darunter gelitten, dass die gegangen sind. Froriep war für den doch der Herrgott. Für viele im Dorf. Jakob hat ihn aber oft besucht da im Norden. Immer alleine, versteht sich, wochenlang war der immer weg. Der hat sich hier nie wohl gefühlt.«
    »Froriep lebt also noch, sagten Sie?«
    »Der soll in einem Altersheim in Kaiserswerth sein«, nickte sie. »Ich weiß aber nicht mehr, wer mir das erzählt hat. Ist auch schon etwas her.«
    »Wie ist es weitergegangen?«
    »Mit Jakob? Tja, wenn man bloß was Genaues wüsste, aber der hat ja nie was gesagt. Immer bescheiden, immer apart. Aber irgendwas muss gewesen sein. Der hat einen richtigen Knacks gekriegt. Ich hab ja immer gedacht, die Lene hat heimlich ein Bankert abgetrieben und er ist dahinter gekommen. Das hätte den Jakob umgebracht, der war nämlich sehr christlich, genau wie Frorieps. Aber es kann auch was anderes gewesen sein. So ein bisschen war er den Dorfältesten ja schon immer ein Dorn im Auge, weil er eben für die damaligen Verhältnisse sehr moderne Ansichten hatte. Er machte Tanzpartys im Jugendheim, die Mädchen alle mit kurzen Röckchen. Auf Freizeiten auf dem Bauernhof ist er mit denen gefahren, Männlein und Weiblein durcheinander. Ich bitte Sie! Der soll die ja sogar aufgeklärt haben über Verhütung und so. Und auf die Nazis war er ja sowieso nie gut zu sprechen und da hat er auch keinen Hehl draus gemacht. Aber ich sag ja, Genaues weiß ich nicht. Nur dass es, nachdem Domröse gestorben war, das muss so 62/63 gewesen sein, mit dem Jakob wirklich schlimm geworden ist. Ich sag ja, der Jakob, der war immer schon ein Stiller gewesen, aber von da an hat er sich bloß noch verkrochen und, na ja, wie soll ich das sagen? Auch schon mal zu tief ins Glas geguckt. Der Jakob, das müssen Sie sich mal vorstellen! Das war auch die Zeit, wo er oft zu mir gekommen ist und sich ausgeweint hat. In allen Ehren, versteht sich. Ich war wohl seine einzige Vertrauensperson, kann man sagen. Nun ja, das Jugendheim hat er dann auch immer mehr schleifen lassen, er hatte wohl die Lust verloren. Aber vor allem der Alkohol. So was wird ja heute noch unter Christenmenschen nicht gern gesehen, aber damals! Ich kann Ihnen was erzählen! Geschnitten haben die ihn. Er hat immer zu mir gesagt: ›Adelheid, eines Tages bin ich weg hier. Ich pack meine Siebensachen und geh.‹ Aber das hat er dann doch nicht gemacht, hat er sich lieber veräppeln lassen von den Blagen im Dorf, die drei von Bahlows immer vorneweg.«
    Toppe versuchte, eine Frage zu formulieren, aber die Tessel hatte nur mal ganz kurz Luft geholt. »Was gucken Sie

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