Die Schatten von La Rochelle
der klei n eren Banden, aber er war im Herzen im m er noch ein dummer, ungeschickter Bauer, also ließ er sich schnappen. Das Resultat seht Ihr, und schaut hin!«
Es waren zwei Büttel nötig, um den i m m er noch um Gnade flehenden Nicolas bis zum Richtblock zu zerren und seine Ar m e zu beiden Seiten festzuhalten. Seine schwächer werdenden Schreie wurden von dem ohrenbetäubenden Crescendo d e r Menge übertönt. Sanson, den als einzigen nic h ts a u s der Ruhe gebracht hatte, schwang seine Axt, und die Schreie brachen abrupt ab.
Die Menge tobte, aber Marie h ö rte den Beifall kaum noch. Sie starrte Paul d’Irsd m asens an. Sie hatte ihn nie a n ders als ru hi g erlebt, bis auf die kurzen Momente, in denen seine Zurückhaltung ins W anken geraten war, aber jetzt war die disziplinierte, undurchdringliche Maske verschwunden. Er schien das Inferno zu trinken, in sich hineinzusaugen, als schenke es ihm Leben, und die Hände, die ihre Handgelenke im m er noch festhielten, brannten wie Feuer. Sie war sich nicht si cher, ob sie es aussprach oder nur dachte.
»Ihr genießt es.«
Die Maske s t ellte s i ch wieder h e r. »Ich bin Realist, Mada m e.«
Aber es war m ehr als das, und sie wußte es. Luzifer m ußte s o ausgesehen haben, ging es ihr durch d e n Kopf, ku r z nach seinem Fall, noch halb ein Engel, noch im Bewußtsein des Verlustes, aber schon voller Triumph über die Hölle, die er sich geschaffen hatte. Dann schaute sie wieder zu dem Kopf, d e n der Henker hochhielt. Aber was sie sah, war nicht das Haupt eines unbekannten Straßenräubers, sondern das von Antoine du Roure, Sieur de Combalet, und sie wußte, wenn es die Hölle war, so war sie selbst genauso ein Teil davon.
19. KAPITEL
Der König hatte seinen Hirsch erlegt und war bester Laune darüber, als Cinq Mars beiläufig sagte: » W ie gut, daß Monseigneur le Cardinal n i c ht hi e r i s t.«
Louis, noch ganz von der Freude der Jagd getragen, fragte eher neugierig als m i ßtrauisch: » W ie m e i nt Ihr das, Henri ? «
Cinq Mars blic k te auf die Trä g er, die dem Hirsch die Beine zusam m enbanden, um ihn an einer der m itgebrachten Stangen aufhängen zu können, und erwiderte in dem gleichen beiläufigen Tonfall:
»Nun, er m ißbilligt die Jagd, nicht w a hr? Er hat jedenfalls nie eine veranstaltet oder je die Einladung E urer Majestät zu einer angeno mm en, soweit ich weiß.«
»Nun ja, er ist ein Mann der Kirche«, sagte Louis kurz.
Cinq Mars zauberte einen m ilde ironischen Ausdruck auf sein Gesicht und verzichtete darauf, zu b e merken, daß sein geistlicher Stand den Kardinal offensichtlich nicht daran hinderte, Hinrichtungen zu veranlassen oder gelegentlich, wie er es v o r La Rochelle g etan hatte, A r m een anzuführen. Treville, der ebenfalls zur Jagdgesellschaft gehörte und aus seiner A bneigung gegen den K ardinal keinen Hehl m achte, schnaubte verächtlich.
»Mir scheint eher, daß er keinen rechten Sinn für die Freuden eines aufrechten Mannes hat. Bei allem R e spekt, Sire, könnt Ihr das Duellverbot nicht ein wen i g locker n ? Ich weiß, daß m eine Musketiere deswegen ständig in Schwierigk e it e n m it der Garde des Kardinals geraten, aber wer kann es ihn e n übelneh m en? Ein Edelmann, der seine Eh r e n i cht m it dem Degen verteidigt, ist kein Edel m ann.«
Gott sei gedankt für Treville und seine wohlbekannte Unverblü m theit, dachte Ci n q Mars. W enn er so et w as auss p ric h t, i s t es alltäglich, unverdächtig, und ich m u ß es nicht sagen.
Louis entgegnete, und es klang, als zitiere er etwas, an das er selbst nicht recht glaubte: » D uelle sind ein Fluch für den Adel und kosten jährlich auf sinnlose W eise vielen das Leben…«
»Das«, warf Cinq Mars gesch m eid i g ein, »tun Kriege auch. Außer natü r lich d i e jenigen, d ie um einer g e rechten Sa c he willen ve r f ochten werden, und ist die Verteidigung der Ehre etwa keine gerechte Sache?«
»Und ob«, knurrte Treville. »Aber wenn m an aus einer Fa m i lie von Rechtsverdrehern stam m t , verst e ht m an das vielleicht nicht.«
Der äußerste Punkt für heute war e r reicht. »Das will ich nicht gehört haben, Messieurs«, sagte Louis streng. »Ich bitte, das T h e m a zu wechseln.«
Cinq Mars lächelte und pries wieder das Geschick des Königs. Während sie über zukünftige Jagden plauderten, dachte er an das kleine Saatkorn, das sich heute den vielen anderen Körnern zugesellen würde, d ie er b ereits ausgestreut
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