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Die Schatten von La Rochelle

Die Schatten von La Rochelle

Titel: Die Schatten von La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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war in d er Tat d i e Frage, die s i e s i ch selber st ellte.
     
    Für Louis ging der Tag, der so a n genehm begonnen hatte, miserabel zu Ende. Er besuchte seinen ältesten Sohn und stellte m it Befri e digung fest, daß das Kind ihn nun m ehr liebevoll begrüßte. Aber die Freude darüber wurde in dem Augenblick zerstört, in dem Anne h e reinka m , um ihren Sohn ins Bett zu bringen. Der Junge rannte m i t einer Begeisterung zu ihr, die sein Verhalten dem König gegenüber blaß erscheinen ließ.
    Es war ebenso bitter wie ungerecht. Louis hatte seinen ei g e n en Vater, den einzigen Menschen, der i h m in seiner f rühen Ki n dheit so etwas wie Z uneigung entgegengebracht hatte, vergöttert und sich nie wirklich von dem Schock seiner Er mordung erholt. Für seinen eigenen ältesten, so lange ersehnten Sohn jedoch zählte er offenbar nicht m ehr als ein freundliches Mit g lied d er Dien e r sc h a f t .
    Er konnte der Königin das nicht im Ernst zur Last legen, und er wußte es. Doch es war trotzdem ihre Schuld, und er konnte sie auf andere W eise dafür bestrafen. Er d a chte an etwas, das ihm der Kardinal heute m itgeteilt hatte und das er eigentlich erst m orgen d e m Hof o ff i z i e l l ha tt e eröffnen wo ll en.
    »Mada m e«, sagte er brüsk, »es gibt Neuigkeiten aus Spanien. Einer Eurer Brüder schläft m it Eurer Freundin, der Herzogin von Chevreuse, und der andere ist tot.«
    Er sagte absichtlich nicht, wel c her von beiden, und hatte die Befriedigung, sie zusam m e nzucken zu sehen. Die Herzogin, die »Chevrette«, wie Richelieu sie nannte, war Annes leidenschaftlichste Parteigängerin und seit Jahren im Exil, aber sie hatte in ganz Europa berüchtigte Affären, in der Regel m it f rankreich f eindlic he n Fürsten wie Charles von Lothringen und jetzt Felipe IV. seinem Schwager, der bedau e rlicherw e i se n och unter d e n Lebenden weilte. Es war der jüngere Bruder, der Kardinal-Infant, der gestorben war. Sein eigener Kardinal hatte ihn im m e r für den gefährlicheren von beiden gehalten, wegen seines großen Ta lents als F e ldherr, aber soweit es L ouis anging, hätte die gesa m t e spanische Königsf a m ilie in den Orkus verschwinden können. Dann wäre zu m i ndest der Krieg zu Ende. Er hatte den Krieg m it Spanien all m ählich s att.
    »Danke dafür, daß Ihr es m i r m itgeteilt h abt, S i re«, sagte Anne, und es gelang ihr wieder ein m al, ihm das Gefühl zu geben, im Unrecht zu sein. Ihr Sohn klam m erte sich noch im m er an sie, und ihre Ho f da m en blic k ten s ie m itleidsvoll an. Er sah sich k u rz so , wie s ie ihn sehen mußte: grausam und k i ndisch. »Mada m e«, gab er knapp zurück und flüchtete, wofür er sich sofort wieder schä m t e.
    Er dachte an die k u rze Z eit, d a er Anne tatsächlich gern gehabt hatte. Nach de r fürchterlichen Hoc h zeitsnacht, als sie bei d e vierzehn gewesen waren, sah er sie zu selten, um überhaupt etwas für sie zu e m pfinden, aber als sie sechzehn w urden und L uynes, der liebe Luynes, ihm Concini und die Tyrannei seiner Mutter vom Hals schaffte, änderte sich das. E r hatte sich, w a s in s e inem Leben se h r se lten gewesen war, frei und glü c klich gefühlt, und Anne als seine Königin war Teil seines Triu m phes gewesen. Sie war zwar ein Mädchen, aber so hübsch und schlank m it ihren sechzehn Jahren, daß sie f ast hätte ein Knabe sein können.
    Dann war ihm all m ählich au f ge f allen, wie m an sie bei Ho f e allge m ein bewunderte, während m an ihn bestenfalls gönnerhaft ansah. Und als sie so unverantwortlich w a r, m it ihrer Freundin C hevreuse diesen W ettlauf zu m achen und dadurch sein Kind u m brachte, hatte er jegliche Wä r m e für sie verloren. Was im m er an höflichem Respekt noch übrig geblieben war, starb, a l s Buckingham Frankreich besuchte. Und als sie sich mit sei n em Bruder, ausgerechnet m i t Gaston, gegen ihn verbündete, war er sic h er, sie loswerden zu können. W arum hatte der Kardinal da m als nicht zugestimmt und den Papst um eine Annullierung ersucht? Dann w äre er, Louis, jetzt nicht m it einer Frau verheiratet, deren bloße G e genwart ihm das Gefühl gab, unzulänglich und ihr zuwider zu sein. Er hätte eine andere z u r M u tt e r seiner Kinder ge m acht, ein Mädchen aus dem französischem Adel vielleicht, die ihm ihr Leben lang dankbar gewesen wäre und ihn zutiefst bewundert hätte.
    Er wäre j e tzt nicht so all e in.
    Das war auch die Schuld des Kardinals. Sein Vater, so erinnerte sich

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