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Die Schatten von La Rochelle

Die Schatten von La Rochelle

Titel: Die Schatten von La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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h ilippe und m achte sich so heftig los, daß er Paul dabei gegen die Wand schleuderte. » E in Glück, daß deine Mutter diesen Tag nicht m ehr erleben m uß. W enn sie geahnt hätte, was aus dir wird…«
    Wäre es um weniger gegangen, hätte Paul jetzt widersprochen. Seine Mutter war eine ergebene Ehefrau gewesen, doch manch m al flackerte in ihr etwas a u f, das v e rdächtig wie Rebellion wirkte, und er hatte eigentlich im m e r die Ver m utung gehegt, daß sein Vater sie genau des w egen so liebte. Sie hatte Paul i h re V o rliebe für W ortspiele und respektlose Neckereien vererbt, und einige seiner glücklichsten Erinnerungen hingen da m it zus a mmen. Aber seine Mutter war tot, vor fünf Jahren am K i ndbettfieb e r gestorben, wie das kleine Mädchen, das sie zur W elt gebracht hat t e. Kurz vor ihrem Tod hatte sie noch etwas Seltsa m es getan; sie hatte ihn, als er ihre Hand hielt, zu sich gezogen und ihm leise zugeflüstert: »Verzeih m ir, Paul.«
    Verzeihen? Was? Er wußte, daß er nicht ihr Lieblingssohn war, trotz ihrer G e m eins a m k e iten; das war Raoul, der Jüngste, und warum nicht, er liebte Raoul auch, und sie küm m erte sich genug um ihn, um ein Gefühl der Eifersucht nicht aufkommen zu lassen.
    »Ich verstehe nicht.«
    »Ich hoffe«, hatte sie m it einem Aufblitzen ihres alten trockenen Hu m ors entgegnet, »das wirst du n i e. Und laß dich nicht von ihnen einsperren, Paul.«
    Nein, seine Mutt e r hätte ihn wohl jetzt unt e rst üt zt, aber sie war tot, und ihr letztes Rätsel hatte er noch immer nicht gelöst.
    »Kein Irsd m asens«, fuhr Philippe unterdessen fort, und senkte seine Stim m e wieder ein wenig, »hat je ei n e Bür g erliche geheiratet!«
    Paul spürte, wie in ihm nun ebenfalls Zorn erwachte, Zorn und der Wunsch, zu verletzen. »Was für eine Heuchelei«, gab er sarkastisch zurück. »Ihr wißt genau, daß wir unsere Verwandtschaft m it den Rohans nur der Tatsache zu verdanken haben, daß vor zweihundert Jahren ein Irsd m asens reich und ein Rohan m it vielen Töchtern und nur einem Sohn arm war. Wenn wir d i es m al arm wären und Jacquelines Vater reich, dann würdet Ihr nicht das geringste dagegen einwenden.«
    »Paul«, sa gt e Philippe d ’Irsd m asens, »genug ist genug. Du wirst in m einer Gegenwart n ie wieder von diesem Mädchen sprechen, du wirst sie nicht wiedersehen, und du wirst auch jeden fleischlichen Verkehr m it anderen Frauen aufgeben.«
    »Ich verstehe. W enn es gegen die Katholiken geht, sind wir alle Brüder und Schwestern, aber beim Heiraten u n tersc h eiden wir uns wie Tag und Nacht. Nun, ich bin ein besserer Christ, als Ihr ahnt, Vater. Ich liebe Jacqueline, und ich werde sie heiraten, und wenn ihr Vater Bettl e r auf der Straße wäre!«
    Dies m al wi c h er d e m A r m seines Vaters, der nach ihm schlug, aus. Die bei d en s tarrten sich an. Philippe war der erste, der den stum m en W illenskampf unterbra c h.
    »Nun gut«, sagte er. »Ich werde es nur noch ein m al sagen, Paul, und dann nie wieder. Kein Irsd m asens heiratet je m als unter seinem Stand. W enn du darauf bestehst, dieses Mädchen zu ehelichen, wirst du kein Irsd m asens m ehr sein. Du hörst auf, m e in Sohn zu sein. W ir werden dich betrauern, als seist du gestorben. K ein Mitglied der Fa m ilie wird je wieder m i t dir spr e c h en. Und bei Morgengr a uen wirst du dieses Haus verlassen.«
    »Bei Morgengraue n ?« wiederholte Paul zornig. »Ihr seid zu großzügig, Vater! Ich ziehe es vor, jetzt schon zu gehen.«
    Er schlug die Tür m it einer W ucht hinter sich zu, die den Rah m en an den Sc hl oßstellen z u m Splittern brac h te. A ber Paul, v on ein e r weißglühenden W ut getrieben, wie er sie noch nie erlebt hatte, hörte noch nicht ein m al den Knall.
     
    Jacques Fenier gehörte zu den wohlhabenderen Handwerkern, und sein Haus, d as im Viert e l s e iner Zunft lag, war sogar von einem kleinen Garten u m geben. Es bereitete P aul keine Mühe, über die Mauer zu klettern; er hatte es schon öfter getan. Er pfiff den Beginn des spöttischen Volkslie d es, das i h r Kennzeichen geworden war: »Il faut toujours aux grands seigneurs/ R e ndre toutes sortes des honneurs… «
    »… les aimer, c’est une autre a f fai re / Laire, lanlaire!« kam es von oben. Es dauerte nicht lang, bis die Tür zum Garten aufging und Jacqueline selbst erschien.
    »Paul, ich habe so auf dich gewar t et!« flüsterte s i e, während er sie u m ar m t e. »Was hat er g esagt?«
    » W ir heiraten

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