Die Schatten von La Rochelle
m on hat erwähnt, daß der Herzog die Sache auf jeden Fall noch vor dem W i nter zu einem Ende bringen will, und das ist verständlich. Im W inter kann m an keine Belager u ng der Ile de Re von der See aus durchführen.«
Vier Tage s päter traf die fra n zösische Ar m ee vor den Toren der Stadt ein. »Nun«, sagte Guiton zu der Gruppe aus Engländern und Rochelle s e r n, die j e tzt die inn e re Garnison bildeten, »es ist soweit. Der K a m pf um unsere Freiheit hat begonnen. W i r sind i m Vortei l ; nicht nur helfen uns unsere englischen Freunde«, ein höfliches Nicken zu den anwesenden Briten, »sondern auch unsere unbezwinglichen Stadt m auern, an denen selb s t die verdammte Liga seinerzeit scheitern m ußte. Nie m and hat La Rochelle je erobert, und nie m and wird es je erobern.«
» W er f ührt die Ar m ee an?« f r agte Paul in die ehr f ürchtige Stille hinein. Er war ganz Guitons M e inung, aber diese Treffen sollten doch schließlich auch praktischen Erwägungen dienen. »Immer noch Angoule m e ? «
»Nein. Demzufolge, was unsere L e ute herausgefunden haben, gibt es zwei Hauptquartiere. Der König selbst lagert b e i Aytre, und der Kardinal hat das alte Haus der B e rnes in der Nähe von Pont-de-laPierre bezogen.«
Das brac h te Paul auf eine Idee. B i sher, so vermutete er, hatte ihn Jacques Fenier als unnützen Esser, Guiton und die Leute von der Stadtwehr als adligen T unichtgut eingestuft; es war ein unangeneh m es G e fühl, so eingeschätzt zu w e rden, und er wollte das so bald wie möglich ändern. Er verschwendete keine Zeit damit, seinen Plan dem Bürger m eister Godefroy vorzuschlagen.
»Monsieur«, sagte er zu Guiton, »ich kenne das Haus der B ernes. Es liegt zie m lich einsam, direkt an der Küste, und der Großteil des Heeres s chart s i ch zweifellos um den König. Warum m achen wir nicht nachts dort eine L andung m it Booten und schnappen uns den Kardinal?«
»Schnappen uns…«
»Entführen ihn, halten ihn als Gei s el, tauschen ihn zu unseren Bedingungen wieder ein. Wenn es dann überhaupt noch nötig ist. W er weiß, ob der König uns ohne den Kardinal nicht in Frieden läßt ? «
»Junge«, rief Guiton und schlug Paul auf die Schulter, »Ihr habt den ric h tig e n Geist!«
Den richtigen Geist vielleicht, a b er noch nicht die richtige Erfahrung. Die Schiffe, die Paul so siegessicher zum Strand von Pont-dela-Pierre führte, wurden von einer Ko m panie königlicher Musketiere, die in den D ünen versteckt lagen, empfangen.
Es war höchst de m ütigend. »Ich habe den Kardinal unterschätzt«, sagte er am Morgen naß, durchfroren und unglücklich zu Jacqueline.
»Ich m eine, wir haben ihn alle unterschätzt. Jedenfalls wird es m it der Belagerung doch länger dauern.«
Um ihn aufzu m untern, erzählte sie ihm etwas, das sie bis h er n u r ver m utet und daher für sich beh a lten hatte. S i e erwartete ein Kind.
»Meinen Glückwunsch«, sagte Simon düster, während sie sich an dem K a m i n einer Hafenschenke w ä r m ten. »Hört, Paul, könntet Ihr bei Eurem Schwiegervater ein gutes W ort für m i ch einlegen? Ich würde gerne bei Euch wohnen. Auf unseren Schiffen ist die Ruhr ausgebrochen.«
»Selbstverständlich.«
In den f olgenden W ochen häu f ten sich solche Bitten. Sc h lie ß lich nahm die Stadt über tausend erkra n kte Engländer in ihren Mauern auf. »Schließlich sind wir alle Br ü der im Kampf um die Freih e it « , recht f e r ti g te sich der weichher z ige Godefroy vor den Ratsherren, nicht ohne eine Spur Ironie in s e ine Stim m e ei nfließen zu lassen. Paul, der um Jacqueline und das Kind in ihrem Leib fürchtete, entdeckte an sich die ersten Anzeichen von unbrüderlichem Egois m us und bat S i mon daru m , keine kranken K a m eraden in Feniers Haus zu bringen.
» W enn es mein Haus wäre und i c h allein darin lebte…«, schloß er verlegen.
»Schon gut. Ich verstehe Euch, ich habe selbst Kinder. Im übrigen hat sich der Herzog entschlossen, alles auf eine Karte zu setzen und einen Generalangriff auf die Ile de Re zu unterneh m en. M orgen um diese Zeit ist vielleicht schon a lles vorbei und unser aller Versorgung vom Meer aus gesichert.«
Es war der fünfte November, als Buckingham m it seinen Regi m entern auf die Ile d e Re ü b ersetzte. Paul stand unter den übrigen Angehörigen der Stadtwehr auf den Mauern und versuchte m i t zusa mm engekniff e nen Augen, das Geschehen auf der Insel zu verfolgen. Die Ile de Re wurde teilweise
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