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Die Schattenhand

Die Schattenhand

Titel: Die Schattenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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warum: In der Mitte fehlten, säuberlich herausgetrennt, mehrere Seiten.
     
    VI
     
    Ich stand da und starrte darauf hinab. Ich blätterte zur Titelseite. Das Erscheinungsjahr war 1840.
    Ein Irrtum war ausgeschlossen. In meiner Hand lag das Buch, aus dessen Seiten die anonymen Briefe zusammengestellt worden waren. Wer hatte sie entfernt?
    Zunächst kam natürlich Emily Barton in Frage. Das schien die nahe liegendste Antwort. Sie oder Partridge.
    Doch es gab noch andere Möglichkeiten. Es brauchte nur jemand allein in diesem Zimmer gesessen zu haben, ein Besuch beispielsweise, der hier auf Miss Emily gewartet hatte. Oder auch jemand, der in geschäftlicher Sache gekommen war.
    Nein, das war weniger wahrscheinlich. Als eine Weile zuvor ein Angestellter der Bank bei mir gewesen war, hatte Partridge ihn in das kleine Herrenzimmer auf der Rückseite des Hauses geführt. So schien es in Little Moor Brauch.
    Ein Besuch demnach. Eine «Standesperson». Mr Pye? Aimée Griffith? Mrs Dane Calthrop?
     
    VII
     
    Der Gong rief mich zum Essen. Als wir hinterher im Wohnzimmer saßen, zeigte ich Joanna meinen Fund.
    Wir erörterten ihn unter allen möglichen Gesichtspunkten. Dann ging ich damit zur Polizeiwache.
    Dort war man über die Maßen beglückt, und ich heimste viel Lob ein für meinen Zufallstreffer.
    Graves war nicht da, aber Nash rief ihn sofort an. Das Buch sollte auf Fingerabdrücke untersucht werden, auch wenn Nash sich nicht viel davon versprach. Zu Recht, sollte ich gleich dazusagen: Die Abdrücke stammten von mir, Partridge und sonst niemandem, was lediglich bewies, dass Partridge gewissenhaft Staub wischte.
    Ich erkundigte mich, wie die Ermittlungen vorangingen.
    «Der Kreis wird enger, Burton. Wir schließen immer mehr Leute aus, die es nicht gewesen sein können.»
    «Aha», sagte ich. «Und wer ist noch übrig?»
    «Miss Ginch. Sie hat gestern Nachmittag einem Kunden ein Haus gezeigt. Es steht ein kleines Stück außerhalb, an der Combeacre Road – das ist die Straße, in der Symmingtons wohnen. Sie muss auf dem Hin- wie auf dem Rückweg bei ihnen vorbeigekommen sein… Und die Woche vorher, an dem Tag, als der anonyme Brief eingeworfen wurde und Mrs Symmington sich umgebracht hat, hatte sie ihren letzten Tag bei Symmington in der Kanzlei. Mr Symmington dachte zuerst, sie hätte die Kanzlei an diesem Nachmittag überhaupt nicht verlassen – er hatte den ganzen Nachmittag Besuch von Sir Henry Lushington und hat mehrmals nach Miss Ginch geklingelt. Aber wie ich mittlerweile erfahren habe, war sie zwischen drei und vier doch weg. Sie hat Briefmarken gekauft, irgendeinen hohen Postwert, von dem ihnen der Vorrat knapp wurde. Der Laufjunge hätte sie besorgen können, aber Miss Ginch hat es selber erledigt; sie sagte, sie habe Kopfschmerzen und die frische Luft würde ihr gut tun. Sie war nicht lange fort.»
    «Aber lange genug?»
    «Ja, lange genug, um quer durchs Dorf zu eilen, den Brief in den Kasten zu stecken und wieder zurückzueilen. Ich muss allerdings gestehen, dass ich niemanden finde, der sie in der Nähe von Symmingtons Haus gesehen hat.»
    «Wäre das denn jemandem aufgefallen?»
    «Vielleicht, vielleicht auch nicht.»
    «Wen haben Sie noch in der Hinterhand?»
    Nash sah sehr starr vor sich hin.
    «Ihnen ist klar, dass wir niemanden ausschließen können – gar niemanden.»
    «Ja», sagte ich. «Das ist mir klar.»
    In bedeutungsvollem Ton sagte er: «Miss Griffith ist gestern zu einem Pfadfindertreffen nach Brenton gefahren. Sie kam ziemlich spät dort an.»
    «Sie glauben doch nicht…»
    «Nein, ich glaube es nicht. Aber ich weiß nichts sicher. Miss Griffith wirkt auf mich ausnehmend stabil und normal – aber wie gesagt, sicher ist gar nichts.»
    «Wie sieht es mit letzter Woche aus? Könnte sie den Brief eingeworfen haben?»
    «Möglich wäre es. Sie hat an dem Nachmittag Besorgungen in der Stadt gemacht.» Er hielt inne. «Das Gleiche gilt für Miss Emily Barton. Gestern am frühen Nachmittag war sie einkaufen, und vergangene Woche hat sie einen Spaziergang gemacht und Freunde besucht, die an der Combeacre Road wohnen.»
    Ich schüttelte ungläubig den Kopf. Ja, das Buch mit den fehlenden Seiten war in ihrem Haus gefunden worden, was die Aufmerksamkeit unweigerlich auf sie lenken musste, aber wenn ich daran dachte, wie Miss Emily gestern hereingekommen war, so frisch und vergnügt und aufgekratzt…
    Zum Teufel damit – aufgekratzt… Ja, aufgekratzt – rosige Bäckchen, strahlende Augen…

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