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Die Schattenhand

Die Schattenhand

Titel: Die Schattenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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im Haus gefunden worden. Und Minnie hätte völlig nichts ahnend von ihrer Lehrerin und Ratgeberin niedergeschlagen werden können. Nein, Partridge ließ sich nicht ausschließen.
    Aber wer war die andere?
    Vielleicht jemand, den ich nicht kannte. Die Lokalmatadorin, Mrs Cleat.
    Ich schloss die Augen und ließ mir vier Personen durch den Kopf gehen, eine nach der anderen, jede auf ihre Weise gleich unwahrscheinlich. Die zarte, zerbrechliche kleine Emily Barton? Was ließ sich konkret gegen sie anführen? Ein verkümmertes Dasein? Gegängelt und unterdrückt seit frühester Jugend? Zu viele Opfer, die ihr abgepresst worden waren? Ihre strikte Weigerung, über Dinge zu sprechen, die «nicht fein» waren? War das in Wahrheit ein Indiz für eine krankhafte Fixiertheit auf eben diese Themen? Oder verstieg ich mich da unhaltbar ins Freud’sche? Ein Arzt fiel mir ein, der einmal gemeint hatte, was behütete alte Jungfern im ersten Narkosenebel so alles murmelten, käme einer Offenbarung gleich. «Du kannst nur staunen, dass sie solche Wörter überhaupt kennen!»
    Aimée Griffith?
    An der war gewisslich nichts Unterdrücktes oder «Verklemmtes». Lebhaft, kernig, erfolgreich. Ein erfülltes, geschäftiges Leben. Und doch hatte Mrs Dane Calthrop gesagt: «Armes Ding!»
    Und da war etwas… etwas… eine Erinnerung… Ah! Jetzt wusste ich es wieder. Owen Griffiths Bemerkung über eine Serie von anonymen Briefen im Norden, wo er seine Praxis gehabt hatte.
    Hatte auch dahinter schon Aimée Griffith gesteckt? Seltsames Zusammentreffen, wenn man es bedachte. Zweimal der gleiche Fall.
    Aber nein, die Täterin war ja gefasst worden. Das hatte Graves gesagt. Ein Schulmädchen.
    Kalt war es plötzlich – zog wohl vom Fenster her. Ich rutschte unbehaglich in meinem Sessel herum. Warum war ich auf einmal so unruhig und aufgewühlt?
    Weiterdenken… Aimée Griffith? Vielleicht war die Schuldige ja Aimée Griffith gewesen, nicht dieses Mädchen. Und jetzt wohnte Aimée hier und war wieder am Werk. Und deshalb sah Owen Griffith so unglücklich und gequält aus. Er hatte einen Verdacht. Ja, er hatte einen Verdacht…
    Mr Pye? Nicht gerade ein sympathisches kleines Männchen. Ich konnte mir gut vorstellen, wie er die ganze Sache inszenierte… kichernd…
    Diese Nachricht auf dem Telefonblock in der Diele… warum ließ sie mich nicht los? Griffith und Joanna – er ging ihr ins Netz… Nein, das war es nicht, was so an mir nagte. Es war etwas anderes…
    Meine Sinne verschwammen, der Schlaf war ganz nahe. Wie ein Idiot wiederholte ich: «Wo Rauch ist, ist auch Feuer. Wo Rauch ist, ist auch Feuer… Das ist es… es hängt alles zusammen…»
    Und dann ging ich mit Megan die Straße entlang, und Elsie Holland kam uns entgegen. Sie war im Brautkleid, und die Leute murmelten:
    «Jetzt heiratet sie endlich ihren Dr. Griffith. Sie waren jahrelang heimlich verlobt…»
    Dann waren wir alle in der Kirche, und Dane Calthrop las die Messe auf Lateinisch.
    Und auf einmal sprang Mrs Dane Calthrop auf und rief ungestüm:
    «Es darf nicht sein. Nein, es darf nicht sein!»
    Ein paar Sekunden lang wusste ich nicht, ob ich schlief oder wachte. Dann wurde mein Kopf klar, und ich begriff, dass ich im Wohnzimmer von Little Moor saß und dass Mrs Dane Calthrop zur Verandatür hereingekommen war und nun vor mir stand und mit nervöser Heftigkeit wiederholte:
    «Es darf ganz einfach nicht sein.»
    Ich sprang auf. «Entschuldigen Sie», sagte ich. «Tut mir Leid, ich bin eingenickt. Was haben Sie gesagt?»
    Mrs Dane Calthrop stieß die Faust in die Innenfläche ihrer anderen Hand.
    «So etwas darf nicht sein. Diese Briefe! Mord! Es kann doch nicht angehen, dass arme unschuldige Kinder wie Minnie Morse ermordet werden!»
    «Sie haben völlig Recht», sagte ich. «Aber wie gedenken Sie dem abzuhelfen?»
    «Wir müssen etwas unternehmen!», war Mrs Dane Calthrops Antwort.
    Ich lächelte, vielleicht etwas überheblich.
    «Und was sollen wir Ihrer Meinung nach unternehmen?»
    «Dafür sorgen, dass die Sache aufgeklärt wird! Ich habe gesagt, die Menschen hier sind nicht niederträchtig. Ich habe mich geirrt. Sie sind es.»
    Ärger stieg in mir auf. Ich sagte reichlich unwirsch: «Schön und gut, gnädige Frau, aber was wollen Sie tun? »
    «Dem Ganzen ein Ende machen natürlich», sagte Mrs Dane Calthrop.
    «Die Polizei tut ihr Bestes.»
    «Wenn Minnie gestern umgebracht werden konnte, ist ihr Bestes nicht gut genug.»
    «Dann sind Sie also klüger als die

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