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Die Schattenhand

Die Schattenhand

Titel: Die Schattenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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und ging zur Tür, und dabei sagte sie trocken: «Ich weiß.»
    So ließ sie mich stehen, das Glas in der Hand, entgeistert ob meiner neuen Erkenntnis.

Zwölftes Kapitel
    I
     
    I ch weiß nicht, was ein Mann üblicherweise empfindet, wenn er einen Heiratsantrag machen will.
    In Romanen hat er eine trockene Kehle, sein Kragen kommt ihm zu eng vor, und er ist jämmerlich nervös.
    Ich empfand nichts von alledem. Ich hatte eine gute Idee gehabt und wollte sie so rasch wie möglich in die Tat umsetzen. Zu Beklemmung sah ich keinen Anlass.
    Ich wartete bis elf und ging dann zu Symmingtons. Ich klingelte, und als Rose öffnete, fragte ich nach Miss Megan. Erst der wissende Blick, mit dem Rose mich ansah, brachte mich leicht aus der Fassung.
    Sie führte mich in das kleine Teezimmer, und während ich dort wartete, hoffte ich unbehaglich, dass sie Megan nicht allzu sehr zugesetzt hatten.
    Aber als die Tür aufging und ich herumfuhr, war ich beruhigt. Megan wirkte kein bisschen befangen oder verstört. Ihr Kopf glich immer noch einer glänzenden Kastanie, und sie strahlte den gleichen Stolz und die gleiche Selbstachtung aus wie am Abend zuvor. Sie trug wieder ihre alten Sachen, aber auch die sahen nun anders an ihr aus. Unglaublich, wie das Wissen um die eigene Attraktivität ein Mädchen verändern kann. Megan, das begriff ich plötzlich, war erwachsen geworden.
    Etwas nervös war ich wohl doch, sonst hätte ich das Gespräch kaum mit einem liebevollen «Tag, du Frettchen!», eröffnet. Nicht ganz die passende Begrüßung für eine Angebetete.
    Megan fand offenbar nichts daran auszusetzen. Sie grinste und sagte: «Tag!»
    «Na», sagte ich, «du hast wegen gestern hoffentlich keinen Ärger bekommen?»
    «Ach wo » , erklärte Megan mit großer Entschiedenheit, und dann blinzelte sie und fügte etwas vage hinzu: «Na ja, wahrscheinlich schon. Ich meine, sie haben tausend Sachen gesagt und fanden es anscheinend alles sehr sonderbar – aber Sie wissen ja, wie die Leute sind und was für einen Wirbel sie um nichts und wieder nichts veranstalten.»
    Ich war erleichtert zu sehen, dass alle Missbilligung und Empörung so vollständig an Megan abgeprallt waren.
    «Ich bin hergekommen», sagte ich, «weil ich dir einen Vorschlag machen möchte. Weißt du, ich mag dich sehr, und ich glaube, du magst mich auch…»
    «Unheimlich gern», bestätigte Megan mit beunruhigendem Enthusiasmus.
    «Und wir kommen ausgezeichnet miteinander aus, deshalb wäre es meiner Meinung nach eine gute Idee, wenn wir heiraten würden.»
    «Oh», sagte Megan.
    Sie wirkte überrascht. Nur das. Nicht erschrocken. Nicht schockiert. Nur recht überrascht.
    «Sie wollen mich heiraten?», wiederholte sie im Ton eines Menschen, der jedes Missverständnis ausschließen möchte.
    «Über alles in der Welt», sagte ich – und meinte es auch so.
    «Sie meinen, Sie sind verliebt in mich?»
    «Ich bin verliebt in dich.»
    Ihr Blick war stetig und ernst. Sie sagte: «Ich finde, Sie sind der netteste Mensch auf Gottes Erdboden – aber ich bin nicht in Sie verliebt.»
    «Ich werd dich schon rumkriegen.»
    «Das würde nichts helfen. Ich will nicht rumgekriegt we r den. »
    Sie schwieg kurz und sagte dann düster: «Ich bin niemand zum Heiraten. Ich bin im Hassen besser als im Lieben.»
    Sie sagte es seltsam heftig.
    «Hass vergeht», sagte ich. «Liebe nicht.»
    «Meinen Sie?»
    «Daran glaube ich fest», sagte ich.
    Wieder trat Schweigen ein. Dann fragte ich: «Die Antwort ist also nein?»
    «Ja.»
    «Und du machst mir auch keine Hoffnungen?»
    «Was für einen Zweck hätte das denn?»
    «Gar keinen», stimmte ich zu. «Es wäre sogar völlig überflüssig, weil ich nämlich hoffen werde, ob du willst oder nicht.»
     
    II
     
    Tja, und das war’s. Ich verließ das Haus leicht benommen und spürte dabei mit erbitternder Deutlichkeit Rose’ glühend interessierte Blicke im Nacken.
    Rose hatte eine Menge zu sagen gehabt, bevor ich ihr endlich entkam.
    Dass sie nicht mehr frei atmen konnte seit jenem schrecklichen Tag! Dass sie längst gekündigt hätte, wenn da nicht die Buben wären und der arme Mr Symmington ihr nicht so Leid täte. Dass sie nicht daran dachte zu bleiben, wenn nicht bald ein zweites Mädchen ins Haus kam – und welches Mädchen würde schon in einem Haus arbeiten wollen, in dem ein Mord passiert war! Dass Miss Holland gut reden hatte, von wegen, sie würde in der Zwischenzeit bei der Hausarbeit mithelfen. Lieb und nett war sie, ja! – Aber

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