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Die Schattenhand

Die Schattenhand

Titel: Die Schattenhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ich.
    Wir kehrten an unseren Tisch zurück.
    «Ist dieses Essen nicht himmlisch?», sagte Megan. «Und überhaupt alles!»
    Sie stieß einen beglückten Seufzer aus.
    «Du nimmst mir das Wort aus dem Mund!», sagte ich.
    Es war ein rauschhafter Abend. Der Wahnsinn hielt mich noch immer in seinen Klauen. Megan holte mich auf den Boden der Tatsachen zurück, als sie zweifelnd fragte:
    «Müssen wir nicht irgendwann heim?»
    Mir klappte die Kinnlade herunter. Ja, ich war entschieden wahnsinnig. Ich hatte alles vergessen! Ich weilte in einer Welt fernab der Wirklichkeit, in der es nur mich und das Geschöpf gab, das ich erschaffen hatte.
    «Guter Gott!», sagte ich.
    Mir wurde klar, dass der letzte Zug weg war.
    «Bleib hier», befahl ich ihr. «Ich muss telefonieren.»
    Ich rief Llewellyns Autodienst an und verlangte, dass sie uns sofort ihren größten und schnellsten Wagen schickten.
    Dann ging ich wieder zu Megan. «Der letzte Zug ist weg», sagte ich. «Also fahren wir mit dem Auto.»
    «Ehrlich? Das ist ja toll!»
    Was für ein nettes Kind sie doch ist, dachte ich. So zufrieden mit allem, so leicht zu erfreuen, mit jedem meiner Vorschläge bedingungslos einverstanden.
    Der Wagen fuhr vor, und er war sowohl groß als auch schnell, aber dennoch wurde es sehr spät, bis wir Lymstock erreichten.
    «Sie haben sicher schon Suchtrupps nach dir ausgeschickt», sagte ich mit schlechtem Gewissen.
    Aber Megan schien ruhigen Gemüts. «Ach, das glaube ich nicht», sagte sie gelassen. «Ich gehe oft los und bleibe über Mittag weg.»
    «Ja, mein liebes Kind, aber zum Tee oder zum Abendessen bist du auch nicht gekommen.»
    Doch das Glück war Megan auch weiterhin hold. Das Haus lag dunkel und still da. Auf Megans Rat hin gingen wir nach hinten und warfen Steinchen an Rose’ Fenster.
    Nach einer Weile schaute Rose heraus und öffnete uns unter vielfältigen unterdrückten Ausrufen die Hintertür.
    «So was, und da hab ich gesagt, du tätst im Bett liegen und schlafen. Der gnädige Herr und Miss Holland», leichtes Naserümpfen nach Miss Hollands Namen, «haben früh zu Abend gegessen und dann eine Spazierfahrt gemacht. Ich hab gesagt, ich würd ein Auge auf die Buben haben. Ich dachte, ich hätt dich reinkommen hören, wie ich oben im Kinderzimmer war und versucht hab, Colin zur Ruhe zu bringen, denn der hat immer ärger über die Stränge geschlagen, aber dann, als ich wieder runterkam, warst du nirgends zu sehen, also hab ich gedacht, du wärst schon ins Bett gegangen. Und das hab ich auch dem gnädigen Herrn gesagt, wie er zurückgekommen ist und nach dir gefragt hat: Die liegt längst im Bett.»
    Ich gebot dem Redeschwall Einhalt, indem ich einflocht, genau da sollte Megan jetzt schleunigst hingehen.
    «Gute Nacht», sagte Megan, «und ganz, ganz herzlichen Dank. Das war der schönste Tag in meinem ganzen Leben.»
    Ich ließ mich heimfahren, immer noch leicht benebelt, gab dem Chauffeur ein stattliches Trinkgeld und bot ihm ein Bett für die Nacht an. Aber er zog es vor, durch das Dunkel zurückzufahren.
    Die Tür zur Diele war unterdessen ein Stück aufgegangen, und als der Mann abfuhr, öffnete sie sich ganz, und Joanna sagte: «Na, das wurde aber auch Zeit!»
    «Hast du dir Sorgen gemacht?» Ich kam herein und schloss die Tür.
    Joanna ging ins Wohnzimmer, und ich folgte ihr. Auf dem Dreifuß stand eine Kaffeemaschine, und Joanna bereitete sich Kaffee, während ich mir einen Whiskey Soda mixte.
    «Mir Sorgen gemacht? Nein, wieso denn? Ich dachte, du bist in der Stadt geblieben und feierst da Orgien.»
    «Ich komme auch von einer Orgie – gewissermaßen.»
    Ich grinste und fing dann an zu lachen.
    Joanna wollte wissen, was so komisch sei, und ich sagte es ihr.
    «Mein Gott, Jerry, hast du denn völlig den Verstand verloren?»
    «Schon möglich.»
    «Aber mein lieber Junge, so etwas kannst du nicht machen – nicht in einem Ort wie Lymstock. Morgen weiß es die ganze Stadt.»
    «Und wenn schon. Megan ist schließlich noch ein Kind.»
    «Nein, sie ist kein Kind. Sie ist zwanzig. Du kannst nicht eine Zwanzigjährige mit nach London nehmen und ihr Kleider kaufen, ohne dass es einen furchtbaren Skandal gibt. Lieber Himmel, Jerry, du wirst das Mädchen heiraten müssen.»
    Joanna sagte es halb ernst, halb lachend.
    Und in dem Moment machte ich eine schwer wiegende Entdeckung. «Verdammt», sagte ich, «dann heirate ich sie eben. Nichts lieber als das.»
    Joannas Gesicht nahm einen sehr merkwürdigen Ausdruck an. Sie stand auf

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