Die Schattenhand
eigentlich lauerte sie nur darauf, eines schönen Tages Herrin im Haus zu werden! Mr Symmington, der Arme, merkte natürlich nichts – aber man wusste ja, wie Witwer waren, arme, hilflose Geschöpfe, eine leichte Beute für berechnende Frauenspersonen. Und wenn Miss Holland nicht die Nachfolgerin ihrer toten gnädigen Frau wurde, dann bestimmt nicht deshalb, weil sie es nicht versucht hatte!
Ich gab ihr automatisch in allem Recht; ich sehnte mich weit fort und musste doch bleiben, weil Rose meinen Hut fest in ihren Händen hielt, während diese Flut von Gehässigkeiten über mich hinwegbrauste.
Ich fragte mich, ob etwas Wahres daran war. Rechnete sich Elsie Holland Chancen aus, die zweite Mrs Symmington zu werden? Oder war sie einfach ein nettes, gutherziges Mädchen, das sich nach Kräften um eine verwaiste Familie bemühte?
Wie auch immer, hinauslaufen würde es im Zweifel auf das Gleiche. Und warum nicht? Symmingtons kleine Söhne brauchten eine Mutter, Elsie war ein anständiger Kerl – auch wenn sie fast schon unanständig schön war –, eine Tatsache, von der kein Mann ganz unberührt bleiben konnte, nicht einmal ein Stockfisch wie Symmington.
All das dachte ich, glaube ich, um nicht an Megan denken zu müssen.
Es wirkt vielleicht, als hätte ich Megan meinen Heiratsantrag in geradezu absurder Selbstgefälligkeit gemacht und als sei mir mit der Abfuhr nur recht geschehen – aber ganz so war es nicht. Megan gehörte zu mir, sie war meine Angelegenheit; für sie zu sorgen und sie glücklich zu machen und vor Unheil zu bewahren, war die einzig wahre und natürliche Lebensform für mich, und das wusste ich so sicher, so unumstößlich, dass ich mir einfach nicht hatte vorstellen können, dass sie es anders sah.
Aber ich würde nicht aufgeben. O nein! Megan war die Richtige für mich, und ich würde sie bekommen.
Nach kurzem Überlegen ging ich in Symmingtons Kanzlei. Megan mochte die Kritik an ihrem Betragen auf die leichte Schulter nehmen, aber ich wollte dennoch gern klare Verhältnisse schaffen.
Mr Symmington habe gerade Zeit, sagte man mir und führte mich in sein Büro. Seine Lippen pressten sich zusammen, als er mich sah, und er empfing mich noch steifer als sonst – woraus ich schloss, dass ich derzeit kein willkommener Gast war.
«Guten Morgen», sagte ich. «Ich bin nicht in beruflicher Angelegenheit hier, sondern in privater. Ich will gleich zur Sache kommen. Sie haben ja wohl gemerkt, dass ich in Megan verliebt bin. Ich habe sie gebeten, meine Frau zu werden, und sie hat Nein gesagt. Aber das nehme ich nicht als endgültige Antwort.»
Symmingtons Ausdruck veränderte sich, und es war fast lachhaft offensichtlich, was in ihm vorging. Megan war ein störendes Element in seinem Hause. Er war, daran zweifelte ich nicht, ein gerechter und gutmütiger Mensch, und er hätte es sich niemals einfallen lassen, die Tochter seiner toten Frau vor die Tür zu setzen. Aber ihre Heirat musste ihm eine große Erleichterung bedeuten. Der tiefgefrorene Heilbutt taute auf. Er wagte ein blasses, vorsichtiges Lächeln.
«Nun, um ehrlich zu sein, Burton, ich hatte keine Ahnung. Ich weiß, dass Sie sich sehr um sie gekümmert haben, aber sehen Sie, für uns war sie immer ein solches Kind…»
«Sie ist kein Kind», sagte ich barsch.
«Nein, nein, nicht den Jahren nach.»
«Sie wird erwachsen, sobald man sie lässt», sagte ich, immer noch verärgert. «Ich weiß schon, sie ist noch nicht einundzwanzig, aber in ein paar Monaten wird sie es. Sie können alles über mich erfahren, was Sie wissen möchten. Ich bin vermögend und führe ein recht anständiges Leben. Ich werde für sie sorgen und alles in meiner Macht Stehende tun, um sie glücklich zu machen.»
«Sicher – gewiss. Trotzdem, die Entscheidung liegt natürlich bei Megan.»
«Das ist nur eine Frage der Zeit», sagte ich. «Ich dachte bloß, ich sage Ihnen schon mal Bescheid.»
Er erklärte, das wisse er zu schätzen, und wir schieden freundschaftlich voneinander.
III
Auf der Straße traf ich Miss Emily Barton. Sie trug einen Einkaufskorb überm Arm.
«Guten Morgen, Mr Burton, ich habe gehört, Sie waren gestern in London?»
Da hatte sie richtig gehört. Ihr Blick, so schien mir, war freundlich, aber auch voller Neugier.
«Ich hatte einen Arzttermin», sagte ich.
Miss Emily lächelte – ein Lächeln, das Marcus Kent kurzerhand aus der Welt wischte.
«Ich habe gehört, dass Megan beinahe den Zug verpasst hätte», murmelte sie. «Sie
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