Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
unterwegs und sehnte sich nach Ruhe und Frieden. Doch in all dem blendenden Weiß hatte er auch ein schwarzes Flämmchen wahrgenommen. Schmerz. Ein körperlicher Schmerz. Ein Schmerz in der Brust. Nun spürte er wieder, dass er eine Brust hatte, spürte, wie anstrengend es war, sie im ununterbrochenen Rhythmus des Atmens zu heben und zu senken. Lohnte es sich, diesen Schmerz zu erdulden? Wozu? Dieses Flämmchen fesselte seine Aufmerksamkeit. In all dem Weiß war es das Einzige, worauf er seinen Blick richten konnte. Er spürte, dass er Beine hatte, Arme, Hände und Adern: einen vollständigen, schmerzenden Körper, in dem das Blut aber nicht zirkulierte, sondern wartete: Es lag an ihm, zu entscheiden, ob er sich in diesem weißen Nichts verlieren und den Schmerz hinter sich lassen wollte oder ob er sich dem Leid stellen und weiterkämpfen würde. Er wäre herrlich gewesen, sich in diesem ewigen Frieden zu wiegen. Und doch ... es ging nicht. Er wollte nicht. Denn das schwarze Flämmchen hatte sich zu einer schwarzen Feuersbrunst ausgeweitet, die ihn, aller damit verbundenen Schmerzen zum Trotz, unwiderstehlich anzog. Lohnte es sich? Ja, das tat es. Ein Funke sprang von Sennars Hand auf die Brust des reglos daliegenden Lonerin über, den der alte Magier kurz als einen schmerzhaften Stich in der eigenen Brust wahrnahm. Dann spürte er unter seiner Handfläche ein zaghaftes, schwaches Pochen. Er betrachtete das Gesicht des Jünglings und sah, dass es langsam Farbe annahm, während der Talisman in seiner Hand kühler und kühler wurde. Eine Freude, wie er sie lange nicht gekannt hatte, überkam ihn, ergriff unaufhaltsam jede Faser seines alten, müden Körpers. Als er sah, dass Lonerin die Augen aufschlug, umarmte er ihn stürmisch.
»Ich wusste es! Ich wusste, du schaffst es!«
Eine Weile hielt der alte Magier Lonerin noch im Arm, dann löste er sich von ihm und fragte. »Wie fühlst du dich?«
»Schlecht«, antwortete dieser ganz offen, wobei er sich verwirrt umschaute. Dann blickte er auf seine Hände, bewegte sie langsam und lächelte.
Sennar umarmte ihn noch einmal.
»Habe ich es geschafft?«
»Ja, du hast Aster befreit. Ich habe selbst gesehen, wie er sich auflöste. Er ist fort, Lonerin. Es gibt keinen Aster mehr.«
Die Miene des jungen Magiers wurde ernst, und Sennar wusste, was in ihm vorging. Er selbst hatte das auch erlebt. Mit Sicherheit hatte Lonerin Asters Schmerz und dessen Be weggründe mitgefühlt, und wer in einen solchen Abgrund geschaut hatte, war nicht mehr derselbe wie zuvor.
»Wir müssen hier fort«, sagte Sennar und zog Lonerin an der Schulter ein wenig hoch. Dabei warf er einen Blick in den Raum, in dem sie sich befanden. Yeshol lag zusammengekauert in einer Ecke, sein Mund weit aufgerissen zu einem verzweifelten, nunmehr stummen Gebet. Und Mitleid überkam ihn. Von der schlimmsten Furcht ergriffen war der Höchste Wächter gestorben, im unerbittlichen Schweigen seines Gottes.
Auch Lonerin betrachtete ihn und dachte das Gleiche.
Dann entfernten sie sich, doch nach einigen wenigen unsicheren Schritten drehten beide sich plötzlich wieder um.
»Was ist das?«, fragte Lonerin müde.
Sennar zitterte. Hier bediente sich jemand einer ungeheuren magischen Kraft. Der Macht der Elfen. »Seltsam, wir sind doch die einzigen Magier hier ...«, bemerkte er.
Lonerin schüttelte den Kopf. »Theana!«, rief er mit rauer Stimme.
Vergebung und Schuldgefühle
So schnell sie konnten, hasteten Lonerin und Sennar durch die Gänge, geleitet
von einer ungeheuren Kraft, die so stark war, dass sie leicht zerstörerisch und unkontrollierbar werden konnte.
Der Bau der Gilde präsentierte sich ihnen als ein menschenleeres Labyrinth aus nach Blut stinkenden Gängen, in denen sich wie aufgerissene Mäuler die Türen der Zellen öffneten, die Hals über Kopf verlassen worden waren. Entgeistert schaute Lonerin sich um: Dubhe war im Begriff, das zu schaffen, wovon er selbst immer geträumt hatte - die Gilde mit Stumpf und Stiel auszurotten. Dennoch ließ der Anblick dieser Verheerungen keinerlei Freude in ihm aufkommen. Dabei hatte er doch so viele Jahre mit dem Verlangen nach Rache gelebt, dass es ihn zum Schluss vollkommen beherrscht hatte. Doch nun war es plötzlich verschwunden. Yeshol war tot und wie er der Großteil der Assassinen. Die Gilde lag am Boden. Nur das zählte.
Und dann war da noch Theana, ein so bedeutender Bestandteil seines Lebens, dass er ihn lange Zeit als selbstverständlich hingenommen
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