Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
Fragen standen im Raum. Warum gab es dieses Leid? Wohin führte es? Welchen Sinn hatte es, zu kämpfen? Es waren die einzigen Fragen, die zu stellen sich wirklich lohnte, die einzigen Fragen, auf die es keine sicheren Antworten gab, nur eine immerwährende Suche nach ihnen.
Dann zerriss ein Schrei die Vollkommenheit dieses Moments.
»Nein!«
Yeshol. Den Dolch in den Händen, brüllte er aus vollem Hals, ließ dann die Waffe fallen und streckte beide Hände zu der Erscheinung aus. »Verlasst mich nicht, Herr! Nicht jetzt! Ich flehe Euch an! Nehmt mich als Hülle und herrscht erneut, lasst diese Welt voller Verlorener noch einmal erbeben.«
Tränen liefen ihm über die Wangen, doch Aster würdigte ihn keines Blickes. Während er sich langsam auflöste, wurde das Licht schwächer und zog sich dorthin zurück, woher es gekommen war. Einige Sekunden funkelte der Talisman noch, dann versank der Raum in einer trostlosen Finsternis. »Es ist vorbei«, murmelte Sennar und lehnte sich an die Wand.
Yeshol brach am Boden zusammen, starrte auf die Stelle, wo Aster entschwunden war, und schien nicht zu begreifen, was vor sich ging. Dann schrie er auf, so laut und so verzweifelt wie an dem Tag, als die Tyrannenfeste mit einem Schlag in sich zusammenfiel. Doch die Götter schwiegen, und Thenaar war taub für sein Flehen.
Unter ihm breitete sich eine große Blutlache aus, während seine Schreie immer schwächer wurden. Sein Leben zerrann.
Sennar überließ ihn seinem Schicksal und wandte sich Lonerin zu. Die magische Schutzmauer hatte sich aufgelöst, und der junge Zauberer lag am Boden. »Lonerin!«, rief er, wobei er seine Hand ergriff. Sie war eiskalt. »Gib dich ihm nicht hin! Komm zurück! Komm ...«, murmelte er.
Der Tod hatte etwas Verlockendes für einen müden Geist, und seine Schmeicheleien konnten betören. Sennar wusste, dass dies die letzte Prüfung war, die der junge Magier noch zu bestehen hatte: der Versuchung des Todes zu widerstehen und die Last des Fleisches wieder auf sich zu nehmen und damit auch all das Leid, das damit verbunden war. Als er den Talisman fest in seine Hand nahm, spürte er erschrocken die Wärme, die noch in ihm pulsierte. Das hieß, Lonerin war noch darin gefangen. Kalt und erloschen war der Talisman nur, wenn er in seinem Innern keinerlei Lebenskraft barg. Daran hatte er damals auch erkannt, dass Nihal für immer von ihm gegangen war. Aber für Lonerin gab es vielleicht noch Hoffnung, wenn er ihm den Weg leuchtete und ihn in die Welt des Lebens zurückrief.
»Lonerin, hörst du mich? Du hast es geschafft. Aber komm nun zurück. Wenn du nicht wiederkommst, war alles sinnlos, was du vollbracht hast.«
Sennar spürte, dass in dem Talisman etwas schwach reagierte, doch dessen Wärme schien nicht abnehmen zu wollen.
»Lonerin, so hör doch! Die neue Welt, die sich aus der Asche dieses verfluchten Ortes hier erheben soll, darf sich nicht auf deinem Opfer gründen. Du bist noch so jung. Verflucht ist ein Land, in dem die Söhne vor den Vätern sterben!«
Er legte Lonerin eine Hand auf die Brust und versuchte den einzigen Heilzauber, für den seine magischen Kräfte noch ausreichten, eine leichte Formel, die er schon in seiner Zaubererausbildung bei Soana gelernt hatte. Doch Lonerins Herz unter seiner Handfläche regte sich nicht.
»An uns Alten ist es, sich zu opfern«, fuhr er mit immer lauterer Stimme fort. »Wir haben nicht mehr die Kraft, um eine neue Aufgetauchte Welt aufzubauen. Nur junge Leute wie du verfügen darüber. Deswegen musst du zurückkehren. Du wirst gebraucht. Dieser Friede, dem du dich jetzt hingibst, kommt zu früh für dich. Noch kannst du dich dem Kampf nicht entziehen!«
Kalt und reglos blieb der junge Magier am Boden liegen, während der Talisman weiterhin seine Hitze abgab. Sennar überkam ein quälendes Gefühl der Machtlosigkeit. Er dachte daran, wie Laio vor vielen Jahren gestorben war, an Nihal, an all die Opfer, die die Aufgetauchte Welt Generation für Generation einforderte, um wieder zu Atem zu kommen und sich von dem Gifthauch zu befreien, mit dem der gerade herrschende Tyrann sie überzogen hatte. Es war eine Ungerechtigkeit, die ihn aufwühlte und die er niemals hinnehmen würde. »Verflucht noch mal, Lonerin!«, schrie er aus vollem Hals.
Ein Flämmchen. Schwarz. Eine Finsternis, die Licht spendete. Ein herrlicher Widerspruch, dachte Lonerin und tauchte aus der Bewusstlosigkeit auf. Er fühlte sich weit weg und müde. Ein Leben lang war er schon
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