Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
Erstem Renni, und sie hatten in diesem Moment erst in aller Deutlichkeit begriffen, dass nun alles ganz anders war, für immer.
Zum ersten Mal spürte Dubhe nun in vollem Maß die ganze Tragweite ihrer Tat. An jenem Tag hatte sie nicht nur Gornar getötet. An jenem ersten Sommertag waren sie in gewisser Weise alle mit ihm gestorben. Nach diesem Tag war niemand mehr der, der er vorher gewesen war, alles war zu Ende gegangen, dort bei der Höhle, und das durch ihre Schuld.
Ohne es recht zu merken, fiel sie auf die Knie, während sie die Finger in den Fels krallte. Alles hätte sie dafür gegeben, noch einmal neu beginnen zu können, sich von der Schuld rein zu waschen, doch nichts, noch nicht einmal das Flusswasser, das alles abschliff und davontrug, konnte das Blut von ihren Händen spülen.
Sie kroch aus der Höhle und kniete, von Schluchzern geschüttelt, am Flussufer nieder.
»Vergebung«, murmelte sie, den Blick auf das Wasser gerichtet. »Vergebung, das habe ich nicht gewollt ...«
Da ließ das Geräusch von Schritten sie zusammenzucken. Wie von selbst fuhren ihre Finger zu dem Dolch unter dem knappen Leibchen, das ihr der Soldat aufgenötigt hatte. Als sie aber den Blick hob, lockerte sich auf der Stelle ihr Griff. Am gegenüberliegenden Ufer sah sie Learco. Reglos stand er da in seiner funkelnden Rüstung und betrachtete sie, doch obwohl er wie ein großer Heerführer gekleidet war, strahlte sein Gesicht nichts von der Selbstsicherheit aus, die man von einem Mann erwartet hätte, in dessen Händen das Schicksal so vieler Soldaten lag. Mit trauriger, fast verständnisvoller Miene beobachtete er sie. Dubhe musste wieder an jenen schon so lange zurückliegenden Tag denken, an dem sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Damals hatte sie gespürt, dass sie beide angesichts dieser Gräuel das Gleiche empfanden, dass dieser entsetzliche Moment sie von allen anderen trennte und gewissermaßen miteinander verband. Ähnlich war es auch jetzt wieder. Fast war ihr, als verstehe Learco den Grund für ihren Schmerz und teile ihn mit ihr.
Eilig wischte sie sich die Tränen aus dem Gesicht, während er den schmalen Fluss durchwatete, dessen Wasser ihm bis zur Mitte seiner Stiefel stand. Als er bei ihr war, beugte er sich zu ihr herab und fragte: »Hattest du in der Stadt nichts zu tun?«
Verwirrt schüttelte Dubhe den Kopf. »Nein, ich ...«
Ein verlegenes Schweigen entstand, doch Learco wandte den Blick nicht ab. »Egal, was es war, jetzt ist es vorbei«, sagte er zu ihr.
Dubhe blickte in eine andere Richtung, schluckte, um die Tränen
zurückzuhalten. Es lag etwas Tröstliches im Klang seiner Stimme, und doch spürte sie, dass sogar er selbst nicht an diese Worte glaubte. Ihr die Hand reichend, half er ihr auf. Dubhe ließ es geschehen und blickte ihm schließlich in die Augen.
»Nutze doch noch die letzten Stunden in der Stadt«, sagte der Prinz zu ihr. »Da kommst du auf andere Gedanken. Das Alleinsein tut nicht gut.«
»Ihr seid doch auch allein hier«, erwiderte sie.
Learco lächelte. »Hierin solltest du meinem Beispiel nicht folgen«, erklärte er, wandte sich dann ab und entfernte sich still. Kurz darauf war er im Dickicht verschwunden.
Dubhe überkam ein seltsames Gefühl. Ebenso wie sie selbst hatte der junge Prinz das Bedürfnis, mit sich allein zu sein.
Zum ersten Mal seit langer Zeit spürte sie, dass sie etwas mit jemandem teilte. Er hatte sie dabei beobachtet, wie sie im Kiesbett gekniet und um Vergebung gefleht hatte. Das war fast so, als habe sie ihm die unerträgliche Last ihres Geheimnisses anvertraut. Aber vielleicht trug auch der Prinz schwer an irgendwelchen Geschehnissen.
Als Dubhe und Theana sich wiedertrafen, überflutete das goldene Licht der Abendsonne den Marktplatz von Selva. Die Händler hatten die Zelte abgebaut, und nur die leeren Holzpodeste und überall verteilter Unrat waren zurückgeblieben. Ein trostloser Anblick, und dennoch fühlte sich Dubhe seltsamerweise erleichtert.
Obwohl sie noch mitgenommen war von dem Abstecher zu der Höhle, hatte es ihr gutgetan, in diesem so intimen Moment überrascht worden zu sein. Vielleicht hatte es doch einen Sinn gehabt, dass sie dorthin gelaufen war, und es war mehr gewesen als ein bloßes Eintauchen in die Vergangenheit.
Unter der Last schwankend, kam Theana näher. Sie hatte zwei prall gefüllte Wandertaschen umgehängt und zwei Bündel mit neuen Kleidern unter dem Arm. »Ich habe versucht, alles zu besorgen, was wir brauchen, und
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