Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
geschnitzt war. Den Wortwechsel auf dem Markplatz von Selva hatte sie nicht vergessen. Dabei beschäftigten sie weniger die Beleidigungen und verächtlichen Bemerkungen von Dubhes Seite als vielmehr die Tatsache, dass die Gefährtin es geschafft hatte, sie selbst zu solch brutalen Äußerungen zu verleiten, für die sie sich sogleich geschämt hatte. Das konnte sie ihr schlecht verzeihen. Sie hatte sie zum Äußersten getrieben, in eine Wut, die sie nicht von sich kannte. Dennoch ließ sie es nicht zu, dass diese Stimmung sie während des Rituals beeinflusste. Wie immer vor einem Zauber leerte sie ihren Geist und zwang sich, in Dubhe nichts anderes zu sehen als in irgendeiner der Personen, die sie in Laodamea im Lauf der zurückliegenden Jahre behandelt hatte.
Diesmal war alles viel einfacher. Als sie fertig waren, überprüfte Dubhe sogleich ihre Kräfte und ihr Reaktionsvermögen, indem sie ein paar Fechtbewegungen mit dem Dolch vollführte. Sie schien zufrieden. Währenddessen lehnte sich Theana, vollkommen erschöpft und mit Schweißperlen auf der Stirn, zurück an die Wand, an der ihre Pritsche stand: Solche Behandlungen kosteten sie stets eine Menge Kraft.
»Ich fühle mich viel besser als nach dem letzten Mal«, murmelte Dubhe. »Danke ...«
»Ich hab nur meine Pflicht getan«, antwortete Theana verlegen. Dann schwieg sie.
Dubhe legte sich auf ihr Bett und starrte zur Decke hinauf. »Ich habe dich ja schon mal vor einiger Zeit gefragt, aber damals hast du mir keine Antwort gegeben«, begann sie, »aber ich frage es mich jedes Mal unwillkürlich, wenn ich dich ansehe. Seit wir unterwegs sind, bist du Dingen ausgesetzt, die doch ganz furchtbar für dich sein müssen. Und das nur für einen Menschen, den du doch eigentlich hassen müsstest. Warum das alles?«
Theana errötete. Diese Frage hatte sie nicht erwartet.
»Wir haben uns gegenseitig das Leben gerettet. Damit verbindet uns doch etwas, oder findest du nicht?«, ließ Dubhe nicht locker. »Warum verrätst du mir nicht mal den wahren Grund, weshalb du dich auf diese Mission eingelassen hast ...« Theana nahm eine Haarsträhne zwischen die Finger und überlegte einen Moment lang, dass sie besser nicht antworten sollte. Aber dann fiel ihr dieses »Danke« wieder ein, das sie gerade von Dubhe gehört hatte.
»So ganz genau weiß ich das auch nicht«, antwortete sie verlegen. »Vielleicht hatte ich nur Lust, mal etwas ganz anderes zu tun und zu sehen, was in mir steckt. Oder vielleicht ... ja, vielleicht war ich es auch leid, wieder einmal auf Lonerins Rückkehr zu warten, während er durch die Welt zieht und Heldentaten vollbringt.«
Ich hab's gesagt, ich hab's ihr wirklich gesagt, dachte sie, fast verärgert über sich selbst. Lonerin war doch eigentlich ein Tabuthema zwischen ihnen beiden. Zwar wusste sie nicht genau, was zwischen Dubhe und Lonerin gewesen war, doch mit Sicherheit war es etwas, was sie selbst sich schon sehr lange Zeit ersehnt, aber nie bekommen hatte.
Nun fürchtete sie Dubhes Reaktion, doch die blickte sie an mit einem Lächeln, das etwas in ihrer Kehle löste.
»Ja, vielleicht wollte ich wirklich nur vor ihm weglaufen«, fügte sie mit einem verlegenen Seufzer hinzu.
»Das solltest du nicht tun«, erwiderte Dubhe ernst. »Denn in gewisser Weise läuft er wohl auch vor dir davon.«
Theana war fast gerührt. Wie schlimm hätte Dubhe sie jetzt verletzen, wie leicht sich für die harten Worte rächen können, die sie von ihr auf dem Markplatz zu hören bekommen hatte. Stattdessen ging sie sogar auf sie ein. Am liebsten hätte sie jetzt irgendetwas Nettes zu ihr gesagt, ihr gedankt, doch bevor sie den Mund aufmachen konnte, kam ihr die andere zuvor.
»Schlaf jetzt. Morgen erwartet uns ein harter Tag, und du solltest wieder zu Kräften kommen.«
Dann stand Dubhe auf und zog die Klappläden zu, während sich Theana auf der Pritsche ausstreckte und die Augen schloss. In dem schummerigen Halbschatten des Zimmers kam mit der Müdigkeit die süße Erinnerung an Lonerin auf sie herab.
Learco holte sie erst am nächsten Morgen ab. Zur Verwunderung der beiden trug er keine Rüstung mehr. »Mir ist es lieber so«, erklärte er, »in den edlen Gewändern erkennt man mich zu leicht, und ich mag es nicht, stets von Leuten umgeben zu sein, die mich bejubeln oder um irgendeine Gunst bitten. Ganz zu schweigen von den Feinden meines Vaters ...«
Er trug einen Quersack über der Schulter, in dem er offenbar seine Sachen verstaut hatte. Ansonsten
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