Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
nicht weiter. Ich möchte gar nicht wissen, was du vorhast.«
Neor war erstaunt. »Willst du mir damit sagen, dass du ihm jetzt Gefolgschaft leistet? Von früher her hätte ich dich anders eingeschätzt ...« »Er ist doch mein Vater.«
Wieder folgte ein beredtes Schweigen.
»Ich weiß, dass deine Mutter noch mit dir gesprochen hat, bevor sie starb«, sagte Neor dann.
Learco schrak zusammen. Das Bild seiner Mutter unter den schweren Decken durchzuckte seinen Geist und traf ihn mit der Macht eines Faustschlags. »In einem der wenigen Briefe, die sie mir schreiben konnte, hat mir Sibilla davon berichtet. Ich weiß, was deine Mutter zu dir gesagt hat.«
Learcos Hände überzogen sich mit kaltem Schweiß. »Sie lag im Sterben, und der Hass zerfraß sie.«
»Vielleicht. Doch ihr Wunsch war ernst gemeint.«
»Erwartest du wirklich von mir, dass ich ihren Wunsch erfülle? Dass ich dich dabei unterstütze, den König zu töten, weil meine Mutter mir auferlegt hat, ihren Tod zu rächen?«
Neor antwortete nicht sofort, ließ nur den Blick auf ihm ruhen. »Ich erwarte nicht, dass du etwas gegen deinen Willen tust«, sagte er dann, »doch überlege genau, was sie veranlasst haben könnte, dich zu einer solch grausamen Tat aufzufordern.«
Learco rang die Hände. Er wusste schon, dass diese Erinnerung ihn nun wieder lange quälen würde. Sein Onkel legte ihm eine Hand auf die Schulter und ließ ihn durch diese Berührung die Wärme ihrer alten Vertrautheit spüren. »Nachdem wir uns so lange nicht gesehen haben, hätte ich nicht gleich mit diesen Dingen anfangen sollen. Aber du bist der Einzige, mit dem ich offen reden kann, und deshalb wollte ich dich in meine Pläne einweihen. Ich bitte dich um deine Hilfe. Wir leben in schlimmen Zeiten, und mir ist klar, wie ungeheuerlich für dich sein muss, was ich mir von dir erhoffe. Doch denk darüber nach. Dein Königreich braucht einen neuen Herrscher.«
Langsam stand Neor auf, doch bevor er ging, drehte er sich noch einmal zu seinem Neffen um, so als sei ihm noch etwas eingefallen. »Es ist schön, dich wiederzusehen. Ich glaube, du hast nicht vergessen, was du bei mir gelernt hast, und bist standhaft geblieben. Darauf kannst du stolz sein«, sagte er, während er ihn traurig anlächelte.
Lea*co spürte, wie seine Augen feucht wurden. Sein Onkel hatte einen Weg beschritten, von dem es kein Zurück mehr gab. Hätte er ihm folgen sollen?
Schwarze Bücher
Sherva verneigte sich tief. Yeshols Studierzimmer war düster und der Blutgeruch
noch durchdringender als gewöhnlich. Seit Tagen hatte es in immer kürzeren Abständen Opferungen gegeben, ein Zeichen, dass sich die Ereignisse überschlugen.
Mit gleichmütiger Miene schrieb Yeshol weiter in dem Buch, das vor ihm lag. »Herr ...«
Erst jetzt hob der Höchste Wächter den Blick. »Erhebe dich!«
Sherva richtete sich auf und spürte wieder dieses unangenehme Gefühl in der Magengegend. Seit er bei Sans Entführung versagt hatte, war er völlig verunsichert. Als er ohne den Jungen in den Bau der Gilde zurückgekehrt war, hatte man ihn sofort behandelt und ausgiebig verhört. Ganz benommen von seinen schmerzenden Wunden und den seltsamen Arzneien, die der neue Wächter der Gifte ihm verabreichte, erzählte er alles, was er wusste, und sogar noch mehr. Er beschrieb den Jungen in allen Einzelheiten, berichtete von den gemeinsam verbrachten Tagen und gab auch wichtige Hinweise zu dem Gnomen Ido. Kurzum, er hatte seine Dienerpflicht erfüllt, fürchtete aber immer noch eine Bestrafung, weil er gescheitert war. Eine unverzeihliche Sünde für einen Siegreichen. Fast alle, die vor ihm versagt hatten, mussten da für mit ihrem Leben bezahlen. Und er wollte nicht sterben. Dabei war es nicht so sehr der Tod selbst, der ihn schreckte: Der war ja sein ständiger Begleiter gewesen in all den Jahren als Auftragsmörder. Es war vielmehr das Wissen, dass alles umsonst gewesen wäre, wenn man ihn wie einen beliebigen Postulanten in einem der Blutbecken hingeschlachtet hätte. Das war mit Sicherheit nicht das Ende, das er von klein auf angestrebt hatte. Sein Traum war es, ein ruhmreicher Assassine zu werden. Der beste. Aber dazu musste er Yeshol töten, der ihm weiterhin an Kraft und Verschlagenheit deutlich überlegen war. Ohne diesen letzten Akt würde sein Leben ein Torso bleiben, und diese Vorstellung war ihm unerträglich.
Nach seiner Rückkehr war er auf der Stelle degradiert worden: Er war nun nicht mehr der Wächter, dem die
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