Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
Unmögliches von ihm, hatte keine Scheu, seinen Schüler stets für seine tatsächlich beachtlichen Fortschritte zu loben, und hörte ihm vor allem immer aufmerksam zu.
In diesen vier Monaten ihres Zusammenseins war der Onkel so etwas wie ein Lehrer des Lebens für ihn. Learco spürte, dass er in ihm einen verwandten Geist gefunden hatte, einen Menschen, auf den er sich verlassen und dem er sich anvertrauen konnte.
Dann eines Tages war plötzlich alles aus. Sein Vater war der Ansicht, Neors Ausbildung fehle die Härte, und entzog dem Vetter die Aufgabe, um sie Forra zu übertragen.
Learco erinnerte sich noch an den langen, heftigen Streit zwischen den beiden, den er damals belauscht hatte. Ihre Stimmen waren immer schriller geworden, ihr Brüllen immer lauter, während er selbst, jenseits der Tür, leise vor sich hin weinte. Bei dieser Gelegenheit erfuhr Dohor erst, dass Neors Auflehnung weit über das bloße Wort hinausgegangen war. Er hatte Pläne erarbeitet, um dem König im Rat die Mehrheit zu entziehen, hatte im Grund also versucht, Dohor vom Thron zu stoßen.
Ohne großes Aufsehen bereinigte der Regent die Situation. Neor wurde in das Land der Tage verbannt. Offiziell reiste er dorthin, um die Verwaltung einer dortigen Provinz zu übernehmen. In Wirklichkeit aber hatte Dohor ihn aller Ämter enthoben und buchstäblich in die Wüste geschickt, von wo aus er die Verbindung zu seinen Freunden unmöglich aufrechterhalten konnte. Seine Gemahlin aber hielt man bei Hof fest, um jederzeit ein Druckmittel gegen Neor in der Hand zu haben.
Seit dieser Zeit hatte Learco nie mehr etwas von seinem Onkel gehört. »Wie man erzählt, bist du ein guter Krieger geworden ...«
Learco schaute seinen Onkel an, und einen Augenblick lang schob sich das Bild des Onkels davor, wie er ihn von früher in Erinnerung hatte.
»Möglich ... Aber ich mag den Krieg nicht.« Bei diesen Worten fiel ihm eine Last von der Seele. Lange schon hatte er sich am Hof nicht mehr den Luxus erlauben können, die Wahrheit auszusprechen. Aber bei seinem Onkel musste er nicht lügen. Von ihm wusste er, dass dieser ihn so gut verstand wie kaum jemand auf der Welt.
Neor lächelte. »Du hast dich nicht sehr verändert ...«
Learco schluckte. »Doch, ich bin jetzt ein Mörder.«
Sein Onkel senkte den Blick und lächelte bitter. »Wenn ich irgendwie gekonnt hätte, wäre ich bei dir geblieben.«
»Du hast dir nichts vorzuwerfen. Damals verstand ich das alles nicht, aber heute weiß ich, was sich damals zutrug.«
Wieder machte sich Schweigen zwischen ihnen breit.
Learco war es, der es als Erster brach. »Wie ist es dir ergangen in all den Jahren?« »Auch nicht besser als dir, denke ich. Diese Zeit im Land der Tage war eine Qual für mich. Ich konnte nicht hier sein, als Sibilla starb, und meine letzte Erinnerung an sie ist das Bild ihres tränenüberströmten Gesichtes am Tag unseres Abschieds. Du kannst dir nicht vorstellen, wie weh das tut.«
Learco antwortete nichts, doch sein Gesicht wurde noch ernster.
»Ich bin mitgenommen und geschwächt«, fuhr Neor fort, »und dein Vater weiß das. Aber gezähmt bin ich nicht.« Ruckartig drehte sich Neor zu seinem Neffen um und blickte ihn aus feurigen Augen an. »Keinen Moment habe ich meine Ansichten geändert in den vergangenen acht Jahren, und trotz des hohen Preises, den ich zu zahlen hatte, würde ich auch heute wieder die gleichen Entscheidungen treffen.«
Learco wandte den Blick ab. Neors Worte brachten ihn in Verlegenheit. Bei Hof galt sein Onkel als Verräter, als ein feiger Hund, der die Hand gebissen hatte, die ihn fütterte. Diese Haltung teilte er nicht, denn er fühlte, dass sein Onkel das Richtige getan hatte. Doch wie anders verhielt er sich selbst Dohor gegenüber, weil er zu schwach war, sich seinem Vater zu widersetzen.
»Wie denkst du darüber?«, fragte ihn Neor plötzlich.
Learco schaute ihn verloren an. »Ich ...«
»Acht Jahre haben wir uns nicht gesehen, und man verändert sich in einer solch langen Zeit, besonders wenn man damals erst dreizehn war und heute ein Mann ist. Aber etwas sagt mir, dass du deinem Wesen nicht untreu geworden bist. Ich kann dir vertrauen.«
Learcos Hände zitterten leicht.
»Bei der Zeremonie werde ich vor dem König niederknien. Ich werde ihn anlächeln und umarmen, so als wenn nichts geschehen wäre. Doch im Grunde habe ich nichts mehr zu verlieren, und deshalb will ich zu Ende bringen, was ich begonnen habe.«
Learco blickte zu Boden. »Sprich
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