Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
Kopfkissen. Sie schwenkt es, und ein helles Klingeln erfüllt den Raum.
Sogleich öffnet sich die Tür, und rasch und lautlos tritt Sibilla wieder ein. »Geht jetzt, lasst sie allein«, sagt sie, während sie Learco am Arm fasst und ihn zwar nicht grob, aber entschlossen hinausführt. Der Junge lässt es geschehen, schafft es aber nicht, den Blick von dem Bett abzuwenden. Unter den hohen Decken kann er seine Mutter nicht mehr erkennen, weiß aber, dass sie ihm nachsieht, erfüllt von einem unbändigen Hass.
Der Kelch entglitt ihm, und der Wein ergoss sich über den Fußboden. Learco sprang auf und stürmte hinaus. Er brauchte frische Luft.
Der Gang wurde erhellt durch das Licht einiger bronzener Glutbecken. Aber alles war ruhig, ganz im Gegensatz zu dem Aufruhr, der in ihm tobte. Dieser verhasste Palast - warum brach er nicht in diesem Moment vor seinen Augen in sich zusammen?
Fast laufend durchquerte er die verschiedenen Geschosse, ohne auf die verwunderten Blicke der Wachsoldaten zu achten, die eilig das Haupt neigten, wenn er vorüberkam. Im Garten angekommen, ließ er sich auf das Gras fallen, starrte hinauf zum bestirnten Himmel und atmete tief ein und aus. Die kühle Nachtluft und das Plätschern der Springbrunnen schafften es, ihn und seine aufgewühlte Seele ein wenig zu beruhigen.
Nichts wird deinem Gewissen jemals wirklich Ruhe schenken können.
Während er den Mond betrachtete, der rund und hell am Himmel stand, wusste er plötzlich, an wen er sich wenden musste. Der Gedanke war so absurd, dass er ihn einen Mo ment erstarren ließ, aber seiner Faszination konnte er sich nicht entziehen. Entschlossen machte er sich auf den Weg in die unteren Geschosse des Palastes, wo die Wände bald schon immer nackter, die Flure schäbiger wurden. Hier musste er seine Schritte verlangsamen, um nach der Tür zu suchen, von der Volco gesprochen hatte. In diesem Flügel des Schlosses kannte er sich nur wenig aus.
Sie schlafen bestimmt längst nach einem harten Arbeitstag. Und was für eine verrückte Idee: Kein Prinz sucht Trost bei einem Bauernmädchen, kein Prinz vertraut sich der Dienerschaft an.
Er bog in den nächsten Gang ein - und verharrte. Da war sie. Direkt vor ihm. Verstohlen bewegte sie sich auf ihre Kammer zu. »Warte!«
Dubhe blieb stehen, mit dem Rücken zu der Stimme, die sie angesprochen hatte. Im Geist lobte sie sich für ihre Voraussicht, sich im Flügel der Dienerschaft sogleich wieder umzuziehen. Dennoch würde sie nun erklären müssen, wieso sie um diese späte Stunde noch im Palast unterwegs war. Daher war es wohl das Beste, einer Frage zuvorzukommen. Sie drehte sich um. »Tut mir leid, ich ...« Sie erstarrte. Es war der Prinz. Seine Stimme hatte sie nicht erkannt. »Ich wollte zu dir.«
So standen sie einander gegenüber und blickten sich an. Nun, da er sie gefunden hatte, wusste Learco nicht, was er sagen sollte.
»Mein Prinz, ich ... ich konnte nicht schlafen ...«, murmelte Dubhe verlegen. »Lass nur, du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Du bist hier keine Gefangene und kannst dich frei bewegen.«
Sie biss sich auf die Lippen.
»Aber wie du siehst, finde ich auch keinen Schlaf«, fuhr Learco mit einem Lächeln fort, und gegen jede Vernunft freute sich Dubhe, dass er da war, nur einen Schritt von ihr entfernt. »Hast du Lust, mich in den Garten zu begleiten?«
Sie zögerte. Es wäre sicher besser gewesen, ins Bett zu gehen und sich nicht wieder auf ein Gespräch mit ihm einzulassen. Und doch folgte sie ihm, unfähig, ihm Nein zu sagen.
So schlenderten sie über die mondbeschienenen Gartenwege. Von früher war es Dubhe gewohnt, nachts unterwegs zu sein, und sie erinnerte sich an die Einbrüche, die sie im Schutz der Dunkelheit verübt hatte, und an all die Jahre in Gesellschaft ihres Meisters zuvor. Der Gedanke an ihn, verbunden mit der Gegenwart Learcos, ließ sie einen Moment lang erschaudern.
Der Prinz merkte es. »Alles in Ordnung?«
»Ja, ich ...«
Learco ließ sich auf dem Gras nieder, ergriff ihre Hand, zog sie zu sich herab und legte ihr seinen Umhang um die Schultern. Die Luft war feucht, und der Tau drang durch die Kleidung.
Du solltest versuchen, ihm ein paar Informationen zu entlocken. Die Gelegenheit ist günstig dazu, sagte sich Dubhe, doch etwas sträubte sich in ihr.
»Wie ist die Arbeit?«, erkundigte sich Learco.
Dubhe blickte ihn einen Moment lang verwirrt an, fing sich aber sogleich wieder. »Gut, sehr gut ... Du hast uns so geholfen. Vielen Dank
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