Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
...«
»Du bist nicht verpflichtet, dich immer wieder bei mir zu bedanken, und auch nicht, dich so begeistert zu zeigen.«
»Es ist aber wirklich eine gute Stellung. Hier ist der Krieg weit, und das allein ist schon sehr viel wert«, antwortete sie, um einen aufrichtigen Tonfall bemüht. »Ist die Arbeit nicht zu schwer?«
Sie schüttelte heftig den Kopf. »Nein, und es bleibt immer auch Zeit, sich auszuruhen.«
Ein lastendes Schweigen entstand, und Dubhe fragte sich, wieso er sie eigentlich aufgesucht hatte, wieso er ihre Nähe suchte.
»Es stimmt wohl, dass ich euch geholfen habe«, sagte Learco in die Stille hinein und sah ihr in die Augen. »Deshalb erlaube ich mir, dich zu bitten, ein wenig hier bei mir zu bleiben. Denn nun bin ich es, der Hilfe braucht.«
Dubhe fühlte sich wie durchbohrt von seinem Blick, konnte nur nicken und ihn ebenfalls erwartungsvoll anschauen.
»Ich bin ein Gefangener, Sanne«, begann er, »und ich weiß auch nicht, warum ich gerade zu dir damit komme, aber hier im Palast habe ich niemanden, der ...« Er seufzte. »Hier bin ich für alle ein Außenseiter.«
»Und was hält dich gefangen?«
Learcos Miene schien sich ein wenig aufzuhellen. Er lächelte schwach. »Eine Vergangenheit, die nicht vergehen will.«
Er erzählte ihr alles, ohne Pause, ließ die Worte wie ein Bach, der Hochwasser führt, aus seinem Herzen hervorsprudeln, erzählte von seiner Mutter, von ihrem Hass gegen ihn, ihren Sohn, und von ihrem grausamen letzten Wunsch, den sie auf dem Totenbett an ihn gerichtet hatte.
»So ist das«, sagte er schließlich, »aber nun fühle ich mich leichter. Ich hatte das starke Verlangen, diese Last mit jemandem zu teilen. Du verstehst sicher, was ich damit meine.«
Dubhe nickte.
»In all den Jahren habe ich mich immer wieder mit der Frage nach dem Warum gequält, warum ich nie ein gutes Wort von ihr hörte, warum sie mich nie in den Arm nahm, warum sie mich nie sehen wollte. Für sie war ich immer nur der Sohn ihres Gemahls, und mich hasste sie mindestens so sehr wie meinen Vater. Und all die Jahre meiner Kindheit über habe ich mich gefragt, was ich getan hatte, ob ich mir etwas hatte zuschulden kommen lassen, das diese Behandlung gerechtfertigt hätte. Doch an jenem Tag an ihrem Sterbebett begriff ich endlich, dass meine Schuld allein darin bestand, auf der Welt zu sein.«
Dubhe blickte ihn bestürzt an. »In ihren Augen war das eine Sünde, die sie mir nie verziehen hat. Vielleicht glaubte sie, dass ich auf diese Weise, indem ich ihr diesen absurden letzten Wunsch erfülle, meine Schuld sühnen könne.«
»Warum erzählst du mir das eigentlich alles?«
»Weil ich neulich Abend in deine Vergangenheit eingedrungen bin und dir dein Geheimnis entlockt habe. Nun sind wir quitt. Wie gesagt, habe ich am Hof niemanden, dem ich mich so öffnen könnte. Der mir so zuhören würde wie du.« Learcos Mundwinkel verzogen sich zu einem bitteren Lächeln.
»Manche Menschen kommen einfach unter einem schlechten Stern zur Welt«, bemerkte Dubhe, und als Learco sie ansah, fühlte sie sich erneut entblößt, verwundbar, wie an jenem Abend im Wald. »Kennst du die Rituale der Gilde der Assassinen?«
Learco lächelte wieder, doch nun voller Hohn.
»Nur gar zu gut.«
»Und weißt du, was die Gilde unter >Kindern des Todes< versteht?« Er schüttelte den Kopf, und Dubhe hatte plötzlich das Gefühl, am Rand eines Abgrunds zu stehen. Sich hinabzustürzen, wäre Wahnsinn gewesen, doch die Tiefe lockte sie. Nichts mehr würde so wie vorher sein, wenn sie sich nun dazu durchrang, ihre Geschichte zu erzählen.
»Das sind Kinder, die jemanden getötet haben. Ob es sich um einen Säugling handelte, dessen Mutter bei der Geburt gestorben ist, oder um ein Kind, das aus Versehen oder absichtlich jemanden umgebracht hat, ist der Gilde gleich. Solche Kinder betrachtet sie als Auserwählte und forscht überall nach ihnen, nimmt sie in ihren Reihen auf und bildet sie zu Assassinen, zu Meuchelmördern aus.« An Learcos Miene konnte sie sehen, dass er sie verstanden hatte. Das hätte ihr gleich sein müssen. Er ist der Sohn deines Todfeindes, rief weiterhin etwas in ihr, doch nun war es heraus.
»Das Schicksal solcher Kinder ist vorgezeichnet. Dabei besteht ihre größte Schuld darin, überhaupt geboren worden zu sein.« Dubhe spürte, wie sich ihre Verzweiflung in Tränen Luft machte.
»Aber du kannst ja nichts dafür. Die Gilde ist eine Bande von Wahnsinnigen.« »Mag sein. Aber jemand hat mal zu
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