Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)
deswegen Ärger bekommt. Radath wird sowieso schon wütend sein, wenn er erfährt, dass ich weg bin.
Ich nehme die Fackel fester in die Hand. »Würdet Ihr ihm sagen, dass es mir leidtut?«
Lord Raen lächelt mich grimmig an. »Wenn du Kelia dasselbe sagst.«
»Gehen wir«, murmelt Naito hinter mir.
Raen geht zur Seite. »Rasch. Nach links.«
Naito huscht an ihm vorbei und verlässt das Arsenal, ohne den Fae eines Blickes zu würdigen. Evan bedankt sich leise bei ihm. Ich folge ihnen.
»Naito« , ruft Lord Raen.
Überraschenderweise bleibt Naito stehen.
»Falls Kelia in Lynn Valley ist« , sagt Lord Raen, »dann bring sie so schnell wie möglich von da weg. Bitte. Der Lord General wird morgen bei Einbruch der Dunkelheit angreifen.«
Lynn Valley. Oh Gott, da bin ich gewesen. Da sind die Rebellen, zumindest waren sie vor eineinhalb Tagen noch dort.
»Aber das ist in meiner Welt« , sage ich.
Raen verzieht den Mund. »Der König ist sehr verzweifelt.«
Verzweifelt genug, um einen Angriff auf ein Wohngebiet zu starten? Ich will es nicht glauben, aber ein Blick zu Naito sagt mir, dass ich es tun sollte.
22
D ie Korridore im Kellergewölbe sind glücklicherweise alle verlassen. Ich führe Naito und Evan durch die schmalen Gänge und hoffe darauf, dass ich uns schnell hier rausbringen kann. Die beiden Male, die ich zum Lagerraum gegangen bin, war ich aus der anderen Richtung gekommen. Ich wäre nach rechts rausgegangen, wenn uns Raen nicht aufgefordert hätte, nach links rauszugehen. Ich gehe davon aus, dass dieser Weg sicherer ist, zumal der Fae-Wachmann nach rechts gegangen ist.
Meine Fackel leuchtet uns den Weg, und ihr Schein taucht die Steinwände in blau-weißes Licht. Ich lausche auf Schritte, das Rascheln von Stoff, das Knarren eines Jaedrik -Brustharnisches oder auf einen leisen Lufthauch. Auf alles, was darauf hindeutet, dass sich jemand nähert. Aber ich höre nichts, nichts als das Pochen meines eigenen Herzens und die schlurfenden Schritte von Evan und Naito.
Trotz der kühlen Luft im Bauch des Palastes steht mir der Schweiß auf der Stirn. Ich mache mir Sorgen um Aren, um Kelia und Sethan, vielleicht auch ein ganz kleines bisschen um Lena. Ich möchte, dass ihnen allen nichts passiert.
Ein weiterer Korridor, noch immer nichts zu sehen von einem Fae. Dieser Fluchtversuch verläuft irritierend glatt, und das macht mich immer nervöser, als wir uns einer Treppe nähern. Sie macht eine scharfe Biegung nach rechts. Ich kann nicht sehen, was uns dahinter erwartet.
Als ich mich der Biegung nähere, werde ich langsamer. Himmel, das gefällt mir ganz und gar nicht. Es ist zu einfach, zu ruhig.
»Was ist los?«, flüstert Naito.
Ich schüttle den Kopf, um ihm zu sagen, dass alles in Ordnung ist, bezwinge meine Paranoia und gehe um die Ecke.
Da ist niemand. Doch am oberen Treppenabsatz ist ein Tor. Während ich immer näher komme, bete ich, dass es unverschlossen ist.
Ist es nicht.
»Lass es mich versuchen.« Naito schiebt sich an mir vorbei und holt den Schlüsselring aus der Tasche, den er dem bewusstlosen Wachmann abgenommen hat. Ich zucke zusammen, als die Schlüssel am Tor klappern. Naito versucht, leise zu sein, aber es ist so ruhig im Gang …
»Ich hab’s.« Er schiebt das Tor auf. Das Kreischen hallt von den Steinwänden wider.
Evan flucht.
»Wartet hier«, flüstere ich. Ich kann mich gerade so durch den engen Spalt zwängen, ohne das Tor weiter öffnen zu müssen. Ich sehe in den Gang und will Naito und Evan gerade sagen, dass die Luft rein ist, als ein Fae in etwa fünf Metern Entfernung links um die Ecke kommt. Der blau-weiße Schein meiner Fackel beleuchtet sein Gesicht. Es ist Taber. Scheiße.
»Hallo, Taber«, sage ich und gehe auf ihn zu.
»McKenzie?« Er wirft einen besorgten Blick zu dem offenen Tor. »Was machst du denn hier?«
Denk nach, McKenzie. Denk nach!
»Kyol hat mir die Schlüssel gegeben.«
Taber mustert mich von oben bis unten. »Dein Umhang ist dir viel zu groß.«
Ich sehe nach unten. »Ja … Aber er ist warm.«
Er legt den Kopf schief. »Vielleicht sollte ich dich zu deinem Zimmer zurückbringen?«
»Das wäre sehr nett von dir.« Ich gehe auf ihn zu und bete, dass er sich umdreht und mich begleitet, aber er geht an mir vorbei und drückt meinen Arm zur Seite, als ich versuche, ihm den Weg zu versperren.
Eine Sekunde, bevor er das Tor erreicht, stürmen Naito und Evan heraus. Naito rammt Taber seine Schulter gegen die Brust und wirft den Fae um. Evan
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