Die Schattenmatrix - 20
bilden.
Als sie an einem Marktplatz vorbeikamen, fielen Margaret fünf oder sechs farbenfroh bemalte Wagen auf. Sie hatte auf Darkover noch nie etwas Vergleichbares gesehen. Die Seitenwände der Wagen konnte man herablassen, so dass kleine Bühnen aus ihnen wurden; auf einer davon fand gerade eine Vorstellung statt. Ihr Respekt vor den Darkovanern wuchs beträchtlich, als sie etwa ein Dutzend Leute bemerkte, die dem kalten Tag trotzten und der kleinen Vorführung mit großem Interesse folgten. Von Zeit zu Zeit rief jemand aus dem Publikum den Akteuren etwas zu und erhielt eine Antwort. »Was tun diese Leute, Rafaella?«
»Wie? Ach, du meinst das fahrende Volk? Sie dürfen nur zu Mittsommer und Mittwinter nach Thendara kommen - die übrige Zeit halten sie sich auf dem Land oder in den kleineren Städten auf. Du hast sie zu Mittsommer verpasst, weil du bereits in Arilinn warst. Die Gilden mögen sie nicht, deshalb halten sie sie meist fern.«
»Das verstehe ich nicht. Wieso haben die Gilden etwas gegen sie ich nehme an, du meinst die Musiker und Schauspieler -, gibt es eigentlich eine Schauspielergilde? Ich habe mich noch nie damit befasst.«
»Aber natürlich. Es gibt eine Puppenspielergilde, eine für Tänzer und sogar eine für Kostümschneider.« Die Entsagende machte ein Gesicht, als wollte sie etwas sehr Kompliziertes in die richtigen Worte fassen.
Remy, einer der Gardisten, die ihnen Regis zu ihrem Schutz mitgegeben hatte, antwortete: »Die Musiker in der Stadt mögen die Konkurrenz nicht, weil einige der Sänger unter dem fahrenden Volk genauso gut, wenn nicht sogar besser sind als die Sänger in der Gilde. Aber der eigentliche Grund ist der, dass die Fahrenden eine Bande von Rüpeln sind und singen, was ihnen gefällt, oder Stücke aufführen, die…«, er verzog das Gesicht,»… ein bisschen derb sind. Sie treiben ihre Spaße auf Kosten von allem und jedem. Die Leute lachen nun mal gerne über andere. Deshalb spielen sie Stücke über fette Kaufleute, die immerzu betrügen, oder Ehefrauen, die ihre Männer schlagen, und alle lachen, außer den Kaufleuten und den Ehemännern. Oder sie singen Lieder, bei denen jede Comynara erröten würde, wenn Ihr gestattet, und alle kichern darüber.« »Aber ich habe noch nie von ihnen gehört.«
»Es gab immer schon fahrende Unterhaltungskünstler, Marguerida, aber erst in den letzten fünfzehn oder zwanzig Jahren wurden sie so zahlreich. Ich habe gehört, dass Meister Everards Sohn Erald einige Zeit bei ihnen verbracht hat, und das ist auch der wahre Grund dafür, dass er nicht Gildemeister wird, wenn Everard stirbt. Er soll angeblich Lieder schreiben, die sich über die Comyn lustig machen.« »Ich weiß von Meister Everard, dass sein Sohn etwas geschrieben hat, das verboten wurde, aber ich kannte den Grund dafür nicht.« Sie betrachtete erneut den Wagen, ihr Forschungsdrang war erwacht, und sie bedauerte, dass sie nie wieder die Freiheit haben würde, ihren Interessen zu folgen.
Heigar, der andere Gardist, ein mürrischer, wortkarger Mann, fügte hinzu: »Diese Schauspieler haben wirklich vor niemand Respekt sie spotten über alles und jeden. Freilich sind sie völlig unparteiisch.«
Remy grinste seine Begleiter an. »Und zu ihren bevorzugten Zielscheiben gehören die Entsagenden, deshalb spricht Mestra Rafaella auch so ungern über sie.«
»Gibt es denn manchmal Ärger wegen ihnen - bringen sie die Leute auf oder so?« Margaret hatte von Planeten gelesen, auf denen es wegen einer so scheinbar harmlosen Sache wie einem Lied heftige Unruhen gegeben hatte.
Rafaella schüttelte verwirrt den Kopf. »Nein, aber ihre Lieder und Scherze sorgen für allerlei heftige Diskussionen auf den Marktplätzen.«
Sie ritten eine enge Straße entlang, als Margaret das Dach der Burg über der Stadt entdeckte, und das Herz wurde ihr leichter. Bald würde sie ihren Vater und Mikhail wieder sehen, worüber sie unendlich froh war. Und sie würde Ida Davidson treffen. Was Ida wohl von Darkover hielt?
Als sie eine halbe Stunde später in den Stallhofritten, versperrte ihnen eine große Kutsche den Weg. Sie wurde von sechs Pferden gezogen, und auf dem Dach türmten sich Kisten und Koffer, unter deren Last sie fast zusammenbrachen. Ganze Schwärme von Knechten und Dienern wuselten um die Kutsche herum, schrien und standen sich gegenseitig im Weg. Es war ein organisiertes Chaos, aber niemanden schien es zu stören. Vielmehr hatte Margaret den Eindruck, dass es alle Beteiligten genossen.
Margaret
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