Die Schattenplage
Eingang des Zeltes und hießen alle willkommen. Sie wirkten müde und bekümmert.
Das Zelt war so groß, dass Seth halb erwartet hatte, es möbliert vorzufinden, aber er sah nur zwei zusammengerollte Schlafsäcke in der Ecke und einige Ausrüstungsgegenstände. Sie alle setzten sich auf den Boden, was ziemlich gemütlich war, dank des weichen Rasens. Das Sonnenlicht, das durch den farbigen Stoff fiel, gab dem Raum eine seltsame Atmosphäre.
»Ich habe eine Frage«, meldete Kendra sich als Erste zu Wort: »Wenn die bösen Wichtel das Register gestohlen haben, können sie nicht einfach die Regeln ändern und dunklen Geschöpfen erlauben hierherzukommen?«
»Die meisten der Gebiete und Grenzen von Fabelheim wurden in dessen Gründungsvertrag festgelegt und sind daher unveränderlich, solange der Vertrag Gültigkeit hat«, erklärte Oma. »Das Register hat es uns lediglich ermöglicht, den Zugang zu dem Reservat als Ganzem zu regeln und festzulegen, welche Geschöpfe die Barrieren überqueren dürfen, die unser Heim bewachen. Die magischen Barrieren, die den Teich schützen, sind anders als die meisten der Grenzen in Fabelheim, die errichtet wurden, um spezielle Arten von Geschöpfen fernzuhalten oder einzulassen. Es gibt Sektoren, in denen nur die Feen sich bewegen dürfen, andere für Satyre, Riesenfrösche und so weiter. Einigen Geschöpfen wird ein größeres Gebiet gewährt als anderen, je nachdem, wie schädlich sie für andere sein können. Da die meisten der Grenzen für die gesamte Art gelten, gelten sie auch für die dunkel gewordenen Geschöpfe dieser Spezies.«
»Aber die Grenze um den Teich und den von der Hecke umschlossenen Bereich richtet sich nach dem Licht der Geschöpfe«, sagte Opa. »Sobald ein Geschöpf beginnt, mehr Dunkelheit als Licht auszustrahlen, ist ihm dieses Gebiet nicht länger zugänglich.«
»Wie lange wird der Teich die Dunkelheit fernhalten?«, fragte Seth.
»Wir wünschten, wir wüssten es«, antwortete Oma. »Vielleicht noch eine ganze Weile. Vielleicht auch nur noch eine Stunde. Wir wissen nur, dass wir mit dem Rücken zur Wand stehen. Wir haben bald keine Alternativen mehr. Wenn es uns nicht gelingt, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, wird das Reservat bald fallen.«
»Ich habe mich mit meinen vertrauenswürdigsten Mittelsleuten unter den hier versammelten Geschöpfen beraten«, sagte Opa in etwas offiziellerem Ton, »um das Maß an Unterstützung einschätzen zu können, das wir von den verschiedenen Spezies zu erwarten haben. Ich habe mit jeweils mindestens einem Abgesandten gesprochen – die Wichtel und die Zentauren ausgeschlossen – und bin zu dem Schluss gekommen, dass die Geschöpfe hier von der Seuche so weit in die Enge getrieben und eingeschüchtert sind, dass wir im Ernstfall auf beträchtliche Unterstützung zählen können.«
»Aber wir wollten keinen von ihnen dabei haben, während wir unsere Strategie besprechen«, fuhr Oma fort. »Wir haben gewisse Schlüsselinformationen zurückgehalten. Falls sie infiziert werden, würden die meisten, wenn nicht alle, uns ohne zu zögern verraten.«
»Warum verändern sich alle Geschöpfe so vollständig?«, fragte Kendra. »Seth sagte, Coulter und Tanu hätten uns nach ihrer Verwandlung weiter geholfen.«
»Du stellst eine schwierige Frage«, erwiderte Opa. »Die kurze Antwort ist, dass Menschen als nichtmagische, sterbliche Wesen von der Seuche anders betroffen werden. Der Rest ist Spekulation. Im Wesentlichen sind magische Geschöpfe einfach das, was sie sind. Sie sind sich in der Regel weniger ihrer selbst bewusst als Menschen und verlassen sich mehr auf ihre Instinkte. Wir Menschen sind widersprüchliche Wesen. Unsere Glaubensvorstellungen harmonieren nicht immer mit unseren Instinkten, und unser Verhalten spiegelt sich nicht immer in unseren Glaubensvorstellungen wider. Wir ringen ständig mit Recht und Unrecht. Wir kämpfen einen Krieg zwischen der Person, die wir sind, und der Person, die wir zu werden hoffen. Wir haben eine Menge Übung darin, mit uns selbst zu kämpfen. In der Folge sind wir Menschen im Vergleich zu magischen Geschöpfen viel besser in der Lage, unsere natürlichen Neigungen zu unterdrücken und uns bewusst gegen sie zu entscheiden.«
»Ich kapier’s nicht«, warf Seth ein.
»Jeder Mensch hat ein beträchtliches Potential an Licht und Dunkelheit«, fuhr Opa fort. »Im Laufe unseres Lebens gewinnen wir viel Übung darin, uns dem einen oder dem anderen zuzuwenden. Hätte er andere
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