Die Schattensurfer (German Edition)
bröselige Garmal, im Rucksack“, zischte Kalawesi.
Doktor Tornham lachte spöttisch und schlug ein drittes Mal mit dem Kescher nach Nacho. Jetzt hockte Nacho in der Ecke. Hier saß er in der Falle.
Kalawesi war doch ein Trottel, ärgerte sich Sansibar. In seinem Rucksack war nicht ein Körnchen Garmal. Nur bröseliger Zwieback befand sich darin. Zwieback? Mit einem Schlag, wusste Sansibar, was Kalawesi meinte. Sansibar bückte sich blitzschnell. Mit der rechten Hand griff sie in den Rucksack. Sie packte eine Scheibe Zwieback. So fest sie nur konnte, drückte sie die Hand zusammen. Der Zwieback zerfiel in Krümel. Sansibar mahlte den Zwieback in ihrer Faust, zerrieb ihn zwischen den Fingern.
Jetzt stand Doktor Tornham direkt vor Nacho. Er senkte den Kescher. Nacho konnte ihm nicht mehr entkommen. Nacho bellte heiser.
Dokotor Tornham grinste.
„Halt“, rief Sansibar und sprang einen Schritt vor. Auch wenn es kein Garmal war und sie keinen Laser-Raptor in den Händen hielt. Die trockenen Zwiebackkrümel gaben ihr Sicherheit. „Kescher fallen lassen. Ich warne Sie. Sie haben das Garmal schneller im Gesicht, als ihre Schutzmaske aufgesetzt.“
Doktor Tornham drehte sich verwundert zu Sansibar um. Sansibar wagte nicht, in seine blauen Augen zu sehen. Doktor Tornham konnte mit seinem Blick Geheimnisse durchdringen. Manchmal kam es ihr vor, als bräuchte er dazu nicht einmal die Hilfe von RUHL.
Sansibar starrte auf ihre eigene Faust. Durch Daumen und Zeigefinger ließ sie ein paar Zwiebackkrümel rieseln. Sansibar pustete. Die Krümel wehten in Doktor Tornhams Richtung. Doktor Tornham sprang einen Schritt zurück. Mit dem Laserkescher schlug er um sich, mit der anderen Hand wehrte er ab.
„Lass das“, rief er. Zum allerersten Mal hörte Sansibar Unsicherheit in Doktor Tornhams Stimme.
Sansibar schluckte ihre Angst hinunter. Sie befahl ihren Knien nicht zu zittern und ging einen weiteren Schritt auf Doktor Tornham zu. „Laserkescher fallen lassen“, raunte sie.
Doktor Tornhams Augen zuckten. Hektisch öffneten und schlossen sie sich. „Mach keine Dummheiten, Sansibar. Mach dich nicht unglücklich. Lass uns miteinander reden. Wir finden einen Weg für dich. Du kannst mir vertrauen.“ Mit dem Rücken stieß Doktor Tornham gegen ein Computerregal. Staub wirbelte auf.
„Lügner“ brüllte Kalawesi.
Sansibar ließ noch ein paar Zwiebackkrümel durch ihre Finger rinnen.
„Wenn du unbedingt willst, kannst du weiterhin in der Schattenstadt leben, in diesem Sumpf der Gesellschaft. Ich lasse dich laufen.“
„Und mein Vater, und Luan und Kalawesi?“
„Ich werde mich bei RUHL für sie verwenden. Wir werden eine Lösung finden. Ihr sollt alle ein glückliches Leben führen. Ich kann euch freies Geleit zusichern.“
„Glaub ihm kein Wort“, schrie Kalawesi außer sich vor Wut.
Sansibar wollte Doktor Tornham am liebsten glauben. Das klang so schön einfach. Freies Geleit in die Schattenstadt. Vielleicht hatten Marc Bodin und die Sipos Luan längst überwältigt. Dann gäbe es keine andere Möglichkeit, aus dieser Sache wieder herauszukommen.
„Er lügt.“ Kalawesis Bauch bebte in dem Eisenring.
Doktor Tornham bemühte sich um ein Lächeln. „RUHL ist die bedeutendste Erfindung der Menschheit. Wichtiger als das Rad, die Glühbirne und das Auto. Die Menschheit braucht RUHL. RUHL wird den Wohlstand der Menschen immer weiter vermehren. Niemand muss mehr hungern. Kein Mensch muss noch in Armut leben. Es ist mehr als gerecht, wenn jeder Mensch zu diesem Wohlstand beiträgt. Es tut doch nicht weh, nutzlose Gedanken zum Wohle der Menschheit abzugeben. Du musst dich nicht einmal anstrengen. Ist es nicht egoistisch, diese Gedanken ungenutzt verstreichen zu lassen? Davon hat niemand etwas. Unterstütze RUHL, die großartigste Erfindung der Menschheit!“
Ja, irgendwie klang das schon richtig, was Doktor Tornham sagte. Natürlich hatte er recht. Alle Menschen müssten zusammenhelfen. Gemeinsam erreichte man mehr. Und trotzdem wollte Sansibar ihre Geheimnisse für sich behalten. Sie wollte sie nicht teilen, schon gar nicht mit einem Computer, der alles wusste. Manche Dinge gingen einfach nur sie etwas an. Sansibar war bereit zu helfen. Sansibar war bereit zu teilen. Aber was, das wollte sie selbst bestimmen. Trotzig funkelte sie Doktor Tornham an. Sie pustete noch ein paar Zwiebackbrösel in seine Richtung. Doktor Tornham zuckte, schob sich am Regal entlang. Den Laserkescher hielt er immer noch in den Händen,
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