Die Schattensurfer (German Edition)
klangen sonderbar tonlos, irgendwie dumpf. Und dann verstummten die Stimmen. Wie eine La-Ola-Welle schwappte Stille durch den Raum.
Luan wurde weitergestoßen. Schließlich zog ein Garmal-Sammler den Sack von Luans Kopf. Um ihn herum standen mindestens hundert Menschen. Bleich wie geschälte Zwiebeln starrten sie ihn an, ausdruckslos, ganz ohne Regung. Alle trugen schwarze Mäntel, die fast bis zum Boden reichten. Silbern schimmerte es darunter. Neonröhren warfen ihr kaltes Licht durch die Halle. Entlang einer Seite zog sich ein Tresen aus schwarzem Stahl. Gläser glitzerten darauf. Die Garmal-Sammler standen im ganzen Raum verteilt. Keiner kam dem anderen zu nahe. Keiner sprach ein Wort.
„Verdammt!“, fluchte Pablo. Luan atmete auf, als er Pablos Stimme einen Schritt hinter sich hörte. Und da war auch wieder Nachos Hecheln.
Ein Garmal-Sammler schwebte auf Luan und Pablo zu. Er überragte die anderen um einen halben Kopf. Seine Füße waren unter dem weiten schwarzen Mantel nicht zu sehen. Kopf und Schultern blieben unbewegt auf gleicher Höhe. Luan sah den silbernen Schein unter dem Mantel. Das Gesicht des Garmal-Sammlers schimmerte weiß wie Wachs und war vollkommen glatt. Nicht das kleinste Fältchen um Mund, Augen oder auf der Stirn. Seine Augen starrten durch Luan und Pablo hindurch.“
„Warum seid ihr in unser Gebiet eingedrungen? Wir dulden keine Spione“, dröhnte es aus dem Garmal-Sammler. Dumpf drang seine Stimme aus dem Bauch, als hätte er einen Lautsprecher verschluckt. Sein Mund blieb verschlossen.
„Wir sind keine Spione“, sagte Pablo.
Der Garmal-Sammler zeigte nicht die geringste Regung.
Luan hatte noch nie solche Menschen gesehen. So gefühllos, so kalt, wie Roboter. Luan fröstelte bei ihrem Anblick.
„Warum sollten wir das glauben?“, ertönte es aus einer Frau. Sie löste sich aus der Menge und schwebte nach vorne. Auch sie trug den bodenlangen schwarzen Mantel mit einem silbernen Panzer darunter. Ihr schwarzes Haar war von grauen Strähnen durchzogen. Es reichte über die Hüften und ihr Gesicht war so glatt, als hätte sie in ihrem ganzen Leben kein einziges Mal gelacht, obwohl sie nicht mehr jung aussah. Sie war bestimmte schon in den Vierzigern.
„Nein wirklich, wir sind keine Spione“, beteuerte Luan und sah die Garmal-Sammlerin an. Irgendwie machte sie ihm weniger Angst als die anderen.
„Sie lügen. Wir haben sie beim Herumschnüffeln erwischt. Es sind die beiden RUHL-Spione, die vorgestern über die Mauer in unser Gebiet eingedrungen sind. Ich habe sie wiedererkannt“, sagte der Garmal-Sammler, der Luan festhielt. Auch seine Stimme dröhnte tief von innen heraus. Luan konnte die Stimmen nicht unterscheiden. Sie hörten sich gleich an, ohne jeden Ausdruck, kaum noch menschlich.
„Sperrt sie ein. Legt sie auf Eis“, sagte der große Garmal-Sammler beiläufig und drehte sich um. Für ihn schien die Sache damit erledigt zu sein.
Luans Herz raste. Die Garmal-Sammler mussten ihnen doch zuhören. Wie ein Fisch wand sich Luan aus dem Zangengriff und sprang dem großen Garmal-Sammler nach.
„Wir sind keine Spione! Sie müssen uns glauben!“, schrie Luan voller Panik. „Wir haben nur unsere Skateboards ausprobiert. Wir sind nach Mallinport gefahren und dann wieder zurück. Das ist alles. Wir leben in der Schattenstadt, genau wie ihr. Wir arbeiten nicht für RUHL.“
Nacho hielt das alles offenbar für ein lustiges Spiel und sprang hinter Luan her. Hechelnd sah der zottelige Hund die Garmal-Sammlerin mit den langen Haaren an und begann sie abzuschlabbern. Sie zuckte zurück, anfangs. Doch als Nacho nicht aufhörte, legte sie ihm die Hand auf den Kopf – fast so, als würde sie ihn streicheln. In diesem Moment sah die Garmal-Sammlerin den Hund an, und nicht mehr durch ihn hindurch.
Längst hatten zwei andere Luan wieder gepackt und an den Armen zurückgezerrt.
Die Garmal-Sammlerin starrte immer noch den Hund an, als sie fragte: „Mit diesen Skateboards könnt ihr über die Mauer fliegen? Hinüber nach Mallinport? Jederzeit?“
„Klar, wenn wir die Skateboards noch hätten, dann schon“, antwortete Pablo jetzt ziemlich schnippisch.
Der große Garmal-Sammler glitt durch die Menge und murmelte, ohne sich umzudrehen: „Jederzeit über die Mauer? Das klingt interessant. Sperrt die beiden Spione ein. Ich habe eine Idee.“
„Gehen wir“, dröhnte der Garmal-Sammler hinter Luan und stieß ihn vorwärts. Luans Arm fühlte sich an wie ausgekugelt. Wenigstens
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