Die Schattensurfer (German Edition)
gehetzt. Ängstlich sah sie sich um. „Ich muss mit dir alleine reden, ganz alleine.“
Kalawesi hielt seinen Zeigefinger senkrecht vor die Lippen und nickte Marc ein weiteres Mal zu.
„Klar, bin ich alleine. Du kannst reden, meine Liebe. Was gibt es?“, fragte Marc. Er hielt sein ceeBand direkt vors Gesicht. So konnte sie Kalawesi nicht sehen.
„Es ist“, stammelte Nele. „Also wir haben ein Problem.“
„Ich bin da, um euch zu helfen.“ Marc lächelte in die Kamera. Nele atmete auf. Ihre Augen zuckten nicht mehr ganz so hektisch. „Also genau genommen haben wir zwei Probleme“, fuhr sie fort.
„Auch zwei Probleme können wir lösen. Das bekommen wir hin. Ihr seid mein absolutes Spitzenteam. Ich liebe euer Labyrinth mit den Wandernden Wänden. Das ist wirklich ganz großartig. Fantastisch.“
Nele schluckte. Sie rückte ihre Brille zurecht und holte noch einmal tief Luft. Dann ratterte sie los: „Pablo, Luan und Nacho sind weg. Einfach verschwunden. Seit gestern Abend. Vielleicht sind sie entführt worden.“
Marc pfiff durch die Zähne. „Alle Achtung, das sind ja gleich drei Probleme.“
Mit schlechtem Gewissen blickte Nele zu Boden, dann fügte sie hinzu. „Das ist nur ein Problem. Unser zweites ist ein Mädchen, das gestern Nacht einfach hereinspaziert ist. Sie sagt, sie heißt Sansibar. Angeblich hat Luan sie geschickt und ihr die durchsichtige Gondel über die Mauer verraten und unsere Codes. Sie ist vor der Kristallprüfung abgehauen. Aber das glauben wir ihr nicht. Wir denken, ein anderes Team hat Sansibar als Spionin geschickt und Pablo und Luan entführt. Es geht sicher um unsere Idee mit den Wandernden Wänden.“
Marc lächelte unbeirrt in die Kamera. Aber für einen Moment blitzte Ärger aus seinen Augen.
Kalawesi schlug mit der Faust so unbeherrscht auf das Sofa, dass sich Rüdiger mit einem waghalsigen Sprung auf Marcs Sessel rettete. Marc versuchte die Ratte zu verscheuchen.
„Kein Problem, Nele, das bekommen wir hin. Mach dir keine Sorgen“, sagte Marc. Er hatte sich wieder im Griff. „Bestimmt hat kein anderes Team die beiden entführt. Ich kenne eure Sansibar nicht. Behandelt sie wie einen lieben Gast, aber sorgt dafür, dass sie in ihrem Zimmer bleibt. Lasst sie auf keinen Fall an die Computer. Ich melde mich wieder. Wir kriegen das hin. Ihr könnt euch auf mich verlassen.“ Und dann setzte Marc wieder sein Surferlächeln auf.
Nele hob die Hand. „Danke, Marc“, hauchte sie. Doch da hatte Marc ihr Video schon vom ceeBand gewischt. Keine Sekunde zu früh, denn Kalawesi tobte wie ein angeschossener Grizzlybär: „Was ist denn das für ein Mist? Zwei Jungs verschwinden, dafür taucht ein Mädchen auf. Wir sind doch kein Bahnhofscafé. Erst die idiotische Idee mit der Holo-Welt und jetzt hältst du den Laden nicht sauber.“
Wütend trat Kalawesi gegen den Fuß des Couchtischs. Der kornblaue Knopf, der Kalawesis Hemd über dem Bauch zusammenhielt, platzte ab und sirrte quer durch den Raum.
„Das müssen wir RUHL melden“, sagte Marc Bodin
„Melden? So ein Quatsch“, brüllte Kalawesi. „Damit sich die Penner vom Kristallamt auch noch einmischen.“ Kalawesis lilafarbener Kristall blitzte auf.
„Aber solche Vorfälle müssen wir dem Kristallamt melden“, wiederholte Marc Bodin ruhig. Mit einem Lächeln schob er hinterher: „Die dummen Kinder glauben tatsächlich, RUHL entkommen zu sein. Dabei lassen wir sie nur an einer etwas längeren Leine laufen.“
Kalawesi schüttelte den Kopf. „Wir werden es niemandem melden“, knurrte er.
„Kalawesi, du bist immer noch der gleiche alte Träumer. Nimm es endlich an. Wir leben heute in einer anderen Zeit, in einer anderen Welt. Wer sich gegen RUHL stellt, hat keine Chance. RUHL hat dich bereits einmal gewarnt. Eine zweite Warnung wird es nicht geben“, sagte Marc ganz sanft. Er lehnte sich in dem orangefarbenen Plüschsessel zurück und streckte die Arme aus.
Kalawesis Gesicht glühte tomatenrot. Sein Pferdeschwanz wippte zwischen den Schultern hin und her. Kalawesi beugte sich zu Marc hinüber. Mit dem Zeigefinger drohte er Marc und bellte: „Natürlich bin ich ein Träumer. Und ich bin stolz darauf, ein Spinner zu sein. Ansonsten gäbe es heute keinen Lunapark. Die Leute lieben meine Träume. Verstehst du, MEINE Fahrgeschäfte.“ Jetzt schlug sich Kalawesi wie ein alter Gorilla mit den Fäusten auf die Brust.
„RUHL braucht Unterhaltung für die Menschen, damit sie nicht so viel nachdenken. RUHL kann auf
Weitere Kostenlose Bücher